Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

79. An Herrn Mac Iver, meines Erstgebornen Erzieher. 421 
fühle er, Liebe ist das Höchste. Teutsch soll Max werden, ein Bayer, 
aber teutsch vorzüglich, nie Bayer zum Nachteil der Teutschen! 
Wie die Briten sind wir Teutsche, und noch ein Volk, obgleich unter mehreren 
Fürsten. — Was mein Sohn verspricht, das halte er, der zu gewöhnen ist, 
nicht leichtsinnig zu versprechen. Zuverlässigkeit ist eines jeden Menschen, 
vorzüglich aber eines Fürsten seiende Haupteigenschaft. Zutrauen macht stärker 
noch als Heere, aber es muß verdient werden. Abneigung flößen Sie meinem 
Sohne gegen Frankreich, Teutschlands Erbfeind, und gegen das französische Wesen 
(unser Verderben) ein! Wie kann ein Teutscher Frankreich Freund sein? So 
lange es wenigstens Elsaß noch von Teutschland abgerissen, unterworfen behält, 
von Teutschland, zu dem es gehört und durch Sprache und Lage immer gehören 
soll. — Mensch im höheren Sinne des Wortes muß mein Sohn werden, 
Mensch und Christ (der veredelte, zur Vollkommenheit strebende Mensch ist 
Christ,) er achte die Menschheit und liebe die Menschen. Achtung gegen das 
Alter, Anhänglichkeit an das Alte, wenn es nicht schädlich, bekenne derselbe, 
überhaupt nichts Bestehendes zu ändern, wenn dieser Grund nicht obwaltet. 
Gegen Selbstsucht (Egoismus), die Pest unserer Zeit, ist sehr bei Max zu 
arbeiten. Gehorsam gegen den König, gleichviel wer die Würde bekleidet, 
ist ihm einzuprägen, Gehorsam, Verehrung und Liebe gegen seine Eltern. 
Das fehlte nie, und wird nie fehlen, daß sich Leute zwischen den regierenden 
Vater und den thronerbenden Sohn zu stellen trachten; darum kann das 
herzliche, innige Band zwischen beiden nicht fest genug geschlungen werden, nie 
des Sohnes Aufrichtigkeit dem Vater zu viel sein. Keine Vorlesungen sind 
über diese Gegenstände zu halten, aber im täglichen Leben, bei den so oft sich 
ergebenden Gelegenheiten einzuprägen, daß es zu einem eigenen Gefühle, zu 
eigener Denkweise werde. Darauf werde gehalten, daß mein Sohn sich wirklich 
beschäftige, seine ganze Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand anhaltend richten 
lerne. Auf Wahrheit werde unerbittlich strenge gehalten. 
Obgleich Du mir angenehm klingt, soll dennoch bewirkt werden, daß 
Max, wenn ich zurückkomme, nur Sie zu mir sage; wenn es schon gegen 
andere Väter ratsam ist, bestehet dieses um so mehr gegen den fürstlichen 
Vater, der wahrscheinlich Herrscher einstens wird, den König und Vater ver- 
einigend. — Die Sinne, Ohr und Augen, vornehmlich letztere, sollen auf 
Spaziergängen einstimmig, und nur daß es meinem Sohne Freude gewährt, 
geübt werden. Wann mein Sohn Greechisch und Latein, was von Lichtenthaler, 
Englisch, was von Ihnen wird gelehrt werden, beginnen soll, wie überhaupt, 
was andere Unterrichtsgegenstände betrifft und von wem solche vorzutragen, 
werde ich künftig bestimmen, der ich meine Zufriedenheit mit Ihnen wieder- 
holt bezeuge und meine Freude, Mac Iver gefunden zu haben. 
Würzburg, 6. Oktober 1817. 
Ludwig, Kronprinz.
	        
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