81. Die Walhalla. 425
Widerstandskraft dieser Nation trotz der schwachen Form ihrer Vereinigung
nicht mißachtet werden dürfe.
Ein Herbsttag im Jahre 1870 neigte sich schon zur Rüste, als der Ver-
fasser den Eichenwald durchschritt, der die Walhalla auf der Landseite bis zum
Gipfel des Berges den Blicken verbirgt, und endlich die herrliche Halle vor
sich liegen sah.
„Tretet ein! Auch hier sind Götter.“
Man vergißt die Walhalla nie. Der Kunstkritiker Hermann Riegel, den man
nicht der Parteilichkeit für den königlichen Bauherrn oder für den Architekten
zeihen wird, gesteht: „Mir ist die Walhalla, deren Lage schon an Agina er-
innert, stets wie ein Tempel des Zeus Pangermanikos erschienen, wie ein
wirkliches Heiligtum deutscher Ehre, in dem man Andacht üben kann!“ Welche
Erinnerungen werden wach, wenn wir die langen Böstenreihen überblicken!
Hier das energische, der Kaiserkrone würdige Haupt Friedrich Barbarossas,
dort der herrliche Dürerkopf, der männliche Scharnhorst, der häßliche und doch
so anziehende Kant! Die letzten Sonnenstrahlen brachen eben durch das Dach-
werk und beleuchteten die Bildnisse Steins und Gneisenaus; allmählich zog
sich ihr Schimmer hinüber zu dem ernsten Lutherbild.
Trittst du hinaus durch die Erzpforte, welch reizendes Bild! Weithin
in der Ebene ein Kranz von Dörfern, deren Namen das altdeutsche Gepräge
nicht verleugnen, zu beiden Seiten Hügelgebilde, von Hopfen und Reben über-
rankt, und mitten in dunkelm Forst, vom dämmernden Himmel sich geisterhaft
abhebend, die weiße Marmorhalle mit dem hell schimmernden Treppenban!
Das Rauschen der Donau, in der sich schon die Sterne spiegeln, erzählt
von alter Macht und Herrlichkeit; die feierliche Stille einer heiligen Ein-
samkeit lockt in Träume. Zur Walhalla schreiten die Götter auf dem Iris-
bogen über den Strom. Wie sich Helena und ihre Gespielinnen beim
Anblick der Ritterburg, die Phorkyas ihnen zeigt, scheuer Furcht nicht
erwehren können, so staunen auch die Schutzgötter Germanias ob der fremd-
artigen Pracht.
Da blitzen in der nahen Stadt feurige Garben auf! Der Dom, dessen
himmelanstrebende Türme der Erbauer Walhallas vollenden half, steht in einem
Feuermeer. Die Stadt, in welcher Ludwig der Deutsche begraben liegt, feiert
ein deutsches Siegesfest und die Wiedergeburt des Reiches. Das Aufleben
der alten nationalen Begeisterung half den deutschen Waffen zum Sieg. Dank
den Fürsten, die sich als Träger der nationalen Idee bewährten, ist als
schönstes Siegesmal ein starkes, glückliches Deutschland wieder erstanden, —
die edlen Wünsche des Gründers des nationalen Heiligtums Walhalla sind
zur Tat geworden.