33. Gedanken Jean Pauls über seine Zeit. 429
ja Häuserasche und Menschenasche genug) der anfangs durch sie erstickte Pflanzen-
wuchs üppig emporschießt. — Und was begehren wir mehr für die Zukunft als
Männer?" Man muß sich in die neuen Verhältnisse einleben. „Neue Staats-
schiffe lassen wie neue Boote noch Wasser ein, bevor sie zugequollen sind.“
„Wir wohnen jetzt noch im Baugerüste der Zeit — und freilich ist ein Gerüste
nicht die bequemste Wohnung. Aber unsere vorige war ja noch zerlöcherter
und durchsichtiger als irgend ein Gerüste, gleichsam nur das Gerüste zu einem
Gerüste.“ In die Abhängigkeit unter Frankreich muß man sich zunächst finden,
so gut es geht. „Seit den letzten Kriegen teilen wir wieder gern den gemein-
schaftlichen Namen Franken und erinnern uns aus der Geschichte, daß die
Mehrheit in Frankreich nicht Gallier, sondern versetzte Germanen sind.“ Freilich
ist das nur ein Scheintrost; wichtiger sind ihm die ersten sichtbaren Zeichen
beginnender Verjüngung. Seine im Anfang des Jahres 1809 geschriebenen
„Dämmerungen“ sprechen dies deutlich aus. „Als der Donner in Lykurgs Grab
einschlug, galt es für ein günstiges Zeichen. In Potsdam fuhr der Strahl in
das Grab eines ähnlichen kriegerischen Gesetzgebers; auch hier erscheint es als kein
böses Zeichen, indem er daraus zwar nicht den Gesetzgeber, aber doch verklärte
Gesetze aufweckte.“ „Das Kriegsfeuer hat gewiß etwas Besseres entzündet als
Häuser, nämlich Herzen für Deutschland. Es finden deutscher Norden und
deutscher Süden — bisher so widerspenstig einander eingewachsen zu einem
Reichskörper als zuweilen Zwillinge am Rückgrate zu einem Leibe — und
ferner die deutschen Zwischenstaaten finden sich einander jetzt verwandter, zu-
sammentreffend auf demselben Dornensteig von Leiden und auf der Wett= und
Rennbahn ähnlicher Selbstverbesserung. Ein herrlicher Auferstehungsgeist
arbeitet und glüht jetzt im vorigen Reichskirchhof und beseelt Scheintote und
beleibt Gerippe. Einerlei Ziel löscht den Unterschied unter deutschen Staaten
immer mehr aus.“ Nur eines ist jetzt noch vonnöten: ein starker, alle diese
gärenden Kräfte einigender Mann. „Die neueste Geschichte voll umgeworfener
und voll aufgerichteter Throne predigt uns allen das UÜbergewicht der Einzelnen
über die Masse.“ Dieser „Einzelne“ muß ein Fürst sein. „In Deutschland
läuft der Efen der Vaterlandsliebe mehr am Throne empor als auf dem Boden
umher; nämlich wir haben immer einen großen Fürsten — groß entweder
geographisch oder heroisch oder sittlich — vonnöten um erst an ihm das
Vaterland zu lieben. Nie vermag — wie Osterreich, Preußen u. s. w. zeigen —
ein Fürst über sein Volk mehr als nach Landesunglück und Landesschmälerung.
Was werden also nicht unsere Fürsten vermögen? Zumal wenn sie ihre Kräfte
nur nach innen, nicht nach außen kehren. Dachten deutsche Fürsten jemals
deutsch, so müssen sie es jetzo noch mehr tun. Deutsche lieben so sehr ihre
Fürsten; ist's denn also für einen von diesen so schwer, Millionen liebende
Herzen mit einem einzigen zurückzulieben?“
Allerdings wurde noch im selbigen Jahre, 1809, das Vertrauen in
Deutschlands Zukunft auf eine harte Probe gestellt. Über die Aufsätze, die er