93. Ludwig I. von Bayern als Erzieher seines Volkes. 463
immer wieder seinen getreuen und uneigennützigen Mitarbeitern zurief. Ich
erinnere nur an die Glyptothek, nach Professor Urlichs' Wort König Ludwigs
eigenstes Werk. Dua ist keine Statue, deren Erwerbung er nicht selbst angeregt
oder doch mit seinen Künstlern und Vermittlern beraten hätte! Ich erinnere
an die Beoisseréesche Sammlung altdeutscher Gemälde, deren Ankauf Böhmer
für eine nationale Tat, ebenbürtig dem Ausbau des Kölner Domes, erklärte,
an die Erwerbung der Wallersteinschen Galerie, der Altertumssammlung des
Kardinals Fesch, der Liponaschen Vasen, der Dodwellschen Terrakotten, der
kostbaren chinesischen und japanesischen Altertümer, — welch ein Aufwand von
Mühe, Klugheit und Geld war zur Ansammlung aller dieser Schätze erforderlich!
Keine Statue wurde in Rom oder Athen ausgegraben, kein Wandgemälde in
Pompeji aufgedeckt, keine Kunstversteigerung in Köln oder Paris abgehalten,
kein antikes Bildwerk neu gedeutet, kein Münzschatz in den Handel gebracht,
ohne daß sich daran eingehende Anfragen und Weisungen des königlichen
Sammlers an seine mit seltenem Geschick gewählten und überall hin verteilten
Geschäftsvermittler geknüpft hätten.
Des königlichen Sammlers! Denn dieser wahre Freund der Kunst
und Künstler verbarg seine Herrlichkeiten nicht hinter verschlossenen Türen: er
baute Paläste für dieselben, aber Paläste, die als Tempel für die Eingeweihten,
als Schule für die Laien immer offen stehen. Unter keinen Umständen duldete
er, daß von den Hunderttausenden seiner Gäste, den Besuchern der Sammlungen,
unter irgend welcher Form eine Steuer erhoben werde. „Was Kunst hervor-
gebracht, wie die Wissenschaft, muß auch allgemein sein wie das Sonnenlicht!“
Wer verargt es ihm, daß er München mit seinen großmütigsten Geschenken
bedachte? Hier verweilte er die längste Zeit, hier war die Bevölkerung am
dichtesten, hier war ein starker Fremdenverkehr, hier waren die meisten wissen-
schaftlichen Lehranstalten und bedeutendsten Kunstschulen. In seinen Tagen
fehlte es freilich nicht an Kurzsichtigen, die gern die Boisseréesche Sammlung
geteilt und die knidische Venus zerstückelt hätten, damit die Engländer genötigt
seien, in jedem bayerischen Städtchen ein Glas Bier zu trinken. Heute hält
jeder die Bevorzugung der Haupt= und Residenzstadt des Landes für berechtigt.
Auch beschenkte er keineswegs nur München. Es gibt kaum eine größere Stadt
in Bayern, wo nicht ein Monumentalbau, eine Kunstsammlung, ein Standbild
von der erziehlichen Fürsorge des Königs Zeugnis gäbe! Lieb und wert war
ihm jede Stätte, wo die schönen Künste gehegt und gefördert wurden. So
war es z. B. seine Absicht in Düsseldorf, das damals allein als Kunststadt
mit München wetteiferte, den berühmten Jakobischen Garten anzukaufen um
für die dortige Künstlerschaft ein trauliches Heim zu schaffen.
König Ludwig, der Schutzherr und Apostel der Kunst, ist weltbekannt.
Seine Verdienste um die Kunstbildung sind — ich möchte sagen — allen
greifbar. Dagegen sind die Beweise von seiner ebenso werktätigen Begeisterung
für die Wissenschaft schwieriger zu erbringen. Bei allen Völkern, die sich