93. Ludwig I. von Bayern als Erzieher seines Volles. 465
1768 bestehenden Verein eine neue landwirtschaftliche Gesellschaft zu gründen.
Prämien wurden von ihm ausgesetzt um intensivere Wirtschaftsmethoden an-
zuregen, Ausstellungen landwirtschaftlicher Geräte und Erzeugnisse veranstaltet,
landwirtschaftliche Schulen errichtet. Ich muß mich auf diese dürftigen Finger-
zeige beschränken, kann nur im allgemeinen darauf hinweisen, daß er auch
auf diesem Gebiete der Volkserziehung das Goethesche Wort wahrhaft und aufs
schönste erfüllte:
„Du im Leben nichts verschiebe,
Sei dein Leben Tat um Tat!"“
Trotz des Gleichgewichts und der harmonischen Entwicklung seiner geistigen
Kräfte, bei aller Energie des Charakters blieben innere Kämpfe nicht aus.
Seine Künstlerseele empörte sich nicht selten gegen die Forderungen seines
Verstandes. Während er als Kronprinz Baaders Erfindung einer Eisenbahn
die wärmste Teilnahme zuwandte und 1819 auf eigene Kosten im Nymphen-
burger Hofgarten das Modell einer solchen herstellen ließ, war er der groß-
artigen und dabei so vernunftgemäßen Entwicklung dieser Idee durch Beiziehung
der Dampfkraft, wodurch die Erfindung erst ihre unvergleichliche Wichtigkeit
gewann, durchaus nicht hold. „Ein schnelles Beförderungsmittel ist die Eisen-
bahn,“ schreibt er (8. Juni 1854) an Martin Wagner, „um von einem Ort
in einen anderen versetzt zu werden, aber das Innere der Städte umgeht sie,
als wenn sie nicht beständen, und vom Genuß der schönen Natur kann nicht
mehr die Rede sein, einer eingepackten, willenlosen Ware gleich schießt durch
die schönsten Naturschönheiten der Mensch, Länder lernt er keine mehr kennen."“
Aber ein Geist wie der seine konnte die weltumgestaltende Bedeutung
dieses neuen Beförderungsmittels nicht unterschätzen. Nur seiner persönlichen
energischen Einwirkung ist es denn auch zu danken, daß 1837 der bayerische
Landtag für eine Eisenbahnlinie von der südlichen bis zur nördlichen Grenze des
Königreichs die nötigen Mittel und gesetzlichen Anordnungen genehmigte. Ohne
die bessere Einsicht des Königs würde Bayern auf lange Zeit vom allgemeinen
Handelsverkehr ausgeschlossen worden sein.
Von seinen wirtschaftlichen Reformplänen seien nur hervorgehoben die
vom König angeregte und durchgeführte Anlage des Kanals, der Nordsee und
Schwarzes Meer in Verbindung setzte, und der leider nicht ins Werk umgesetzte
Gedanke München mittels Benutzung von Amper, Ilm und Isar und ergänzen-
der Kanalbauten in unmittelbare Verbindung mit der Donau zu bringen und
dadurch gewissermaßen zu einem Hafen= und Stapelplatz zu erheben.
Vor allem sei daran erinnert, daß die segensreichste Tat aus den Zeiten
des Deutschen Bundestags, die Zolleinigung der deutschen Staaten, nächst
König Wilhelm von Württemberg dem weitblickenden, opferwilligen Bayern=
könig zu danken ist.
Auch auf die Veredlung des Gewerbes erstreckte sich Ludwigs erziehliche
Tätigkeit. Daß der Aufschwung der schönen Künste günstigen Einfluß auf das
Kronseder, Lesebuch zur Geschichte Bayerns. 30