Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

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466 93. Ludwig I. von Bayern als Erzieher seines Volkes. 
Handwerk üben mußte, liegt zutage. Ein Frühlingshauch drang auch in die 
bürgerlichen Werkstätten. Indem die Handwerker Mitarbeiter bei der Her- 
stellung, Einrichtung und Ausschmückung stilvoller, großartiger Bauwerke wurden, 
gewannen sie nicht nur Geld, sondern mehr: ihr Geschmack ward geläutert, 
künstlerischer Takt auch in ihnen entwickelt. Und ebenso mußte der Anblick 
so vieler in den Sammlungen vereinigter Meisterwerke aus der Zeit, da jeder 
Handwerker, wie Semper sagt, in seiner Art ein Künstler war, jedem überhaupt 
Empfänglichen die Brust erweitern. Daß diese Tatsache in den gewerblichen 
Kreisen anerkannt wurde, zeigte sich 1850 bei dem Festzug gelegentlich der 
Enthüllung der Bavaria. Der König selbst berichtete hocherfreut an Wagner 
(13. Oktober 1850): „Erst wollten nur die Künstler die Enthüllung feyern, 
dann gesellten sich die bey den Bauten betheiligten Gewerbe hinzu, hierauf 
alle, denn wenn sie auch nicht unmittelbaren Gewinn davon zogen, doch mittel- 
baren, und er geht fort, nicht nur durch die bewirkte Vervollkommnung der 
Gewerbe, sondern auch durch die alljährlich zuströmende Menge von Fremden!“ 
Fachschulen wurden errichtet, die Gelegenheiten für den Strebsamen sich zu 
unterrichten vermehrt, durch Preisausschreiben und Ausstellungen ein rühm- 
licher Wetteifer zu entfachen gesucht. 
Wohl würden die edlen Absichten kräftiger durchzuführen und noch be- 
deutendere Wirkungen zu erzielen gewesen sein, wenn die Mittel reicher ge- 
flossen wären. Ludwig besaß jene Eigenschaft, welche den Glanz einer Regierung 
in den Augen der Zeitgenossen wesentlich mindert und doch zu den notwendig- 
sten Merkmalen großer Regenten gehört: Sparsamkeit. Wie sehr diese sittliche 
Kraft unseres Fürsten seinem Staat zum Heil gereichte, weiß jeder, der den 
kläglichen Stand der Finanzen und die Zerrüttung im Staatshaushalt während 
der ersten zwei Jahrzehnte des Königreichs kennt. Als 1827 der Finanz= 
minister dem Landtag die Erklärung abgab, daß zum erstenmal seit Bestehen 
der Verfassung kein Defizit vorliege, brachen die Mitglieder aller Parteien in 
Hochruse auf den König aus: so überraschend, so beglückend wirkte auf sie 
jene Nachricht. 
Und abgesehen von der Besserung der Finanzlage: der weise Haus- 
halter auf dem Throne wurde ein Beispiel für das Land! Ludwigs Ordnungs- 
liebe, seine Abneigung nicht gegen große, durch höhere Zwecke gerechtfertigte 
Ausgaben, aber gegen jede Verschwendung waren beim wichtigen Werke der 
Volkserziehung unschätzbar wesentliche Kräfte. Vorzüglich dadurch gewann er 
sich das Vertrauen des Volkes, jenes unerschütterliche Vertrauen zur Krone, 
ohne welches der monarchische Verfassungsstaat nicht denkbar, sicherlich nicht 
haltbar ist. Ludwig erinnert darin an den prunklos tätigen Vater des großen 
Friedrich. Wie dieser sah auch er in bürgerlichen Tugenden des Regenten 
und seiner Diener die Grundfesten des Staates, wie dieser wurde Ludwig der 
Schöpfer eines neuen, strammen, arbeitsamen Beamtentums. Er selbst war 
unermüdlich tätig, er hielt seine Mittel zusammen und sah auf peinliche Ordnung
	        
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