98. Ludwigslied. 477
Ein Purpurleuchten glüht noch jetzt empor
Aus dieses Sarges Heiligtum
Und mächtig schlägt noch lang an unser Ohr
Des großen Bayernkönigs Ruhm.
Denn was er sann und fühlte, war geweiht
Dem eu'gen Reich des Wahren und des Schönen;
Und stets war ihm die stolze Brust gefeit
So gegen Torheit wie der Mihgunst Höhnen.
Was klein und niedrig sich durch Engen wand,
Dem zürnte sein erhabner Sinn;
Und all sein Denken und sein Wollen fand
Nur in der Großheit Vollgewinn.
Und wenn es galt im weiten Fürstenrat,
In dem er lange saß, der besten einer,
Zu wählen rechtes Wort und große Tat,
War weiser wohl kein Haupt, kein Wille reiner.
Sein Lieben glühte heiß dem Bayerland,
Doch auch ein grimmer Bannerwart,
Entbot er Schutz gen welschen Trug und Tand
Dem deutschen Sinn, der deutschen Art.
Drum steh'’ ich traumverloren manchen Tag,
Wenn sich des Abends letzte Strahlen wiegen,
O hoher Fürst, vor deinem Sarkophag
Und kann ein Weh, ein tiefes, nicht besiegen,
Daß auch zu Grab der Größte sinken muß,
Des herben Todes flücht'ger Raub. —
Du aber nimm der Ehrfurcht heil'gen Gruß
Und still gesegnet sei dein Staub!
98. Ludwigslied.
Zur 100 jährigen Geburtsfeier (1887) König Ludwigs I. von Bayern.
Von Martin Greif.,)
Für das Edle zu begeistern
War dein frühes Trachten schon
Vater Ludwig, Sproß der Schyren,
Der du für dein Volk erglüht,
Großes sannest zu vollführen Und, umschart von Deutschlands Meistern,
Im beharrlichen Gemüt, Saßest du auf lichtem Thron.
Deine Saat hat Frucht getragen, Wertke, von der Welt bewundert
Die noch immerfort gedeiht! Rief dein Schöpferwort hervor.
Aller Bayern Herzen schlagen Blichen wird ein spät Jahrhundert
Dir voll heißer Dankbbarkeit. Sehnsuchtsvoll zu dir empor.
1) „Gesammelte Werke“, I. Band. S. 299. Leipzig 1895, Amelang.