496 104. Ein Erinnerungsblatt an König Maximilian II.
Ich komme zum Schluß. Auf der Schwarzbachwacht trafen wir mit
den Gefährten wieder zusammen. Der König rastete nach seiner Gewohnheit
eine halbe Stunde, indem er unter einem Baume gelagert las, bis wir uns
unter freiem Himmel zu Tische setzten. Der Rückblick auf die ganze jüngste
Vergangenheit gab dem Tischgespräche den ernsten und heiteren Grundton.
Dann stiegen wir zu Pferde. Der tiefblaue Himmel umzog sich; zwei schwere
Gewitter kämpften gegeneinander und verfingen sich in diesen engen Tälern,
der Regen rauschte in Strömen auf uns herab, die Blitze zuckten, der Donner
krachte unaufhörlich über unseren Häuptern, während wir durch die Ramsau
trabten. Das Wasser troff von uns und unseren Pferden, daß wir förmlich
am Sattel klebten, als wir endlich die königliche Villa von Berchtesgaden in
Sicht bekamen. Da zogen die Wetter ab und mit den fernhin rollenden Donner-
schlägen mischte sich jetzt der freundlichere Donner der Böller, die uns begrüßten.
Auf der Treppe der Villa empfing die Königin ihren Gemahl.
Nur eine Viertelstunde, und wir waren alle verwandelt, der nasse, zuletzt
ganz feldmäßig gewordene Reitanzug war mit dem jetzt nicht weiter verpönten,
trockenen, hoffähigen Frack vertauscht, wir versammelten uns im Salon und
freuten uns, wieder einmal unter Damen zu sein, deren Umgang wir lange
entbehrt hatten und denen wir nun von unseren Abenteuern erzählen konnten.
Dies war die erste und letzte Fußreise des Königs Max.
104. Ein Erinnerungsblatt an König Maximilian II.
Von Franz v. Kobell.“)
Es haben andere den edlen dahingegangenen König Maximilian II. ge-
würdigt in seinen großen Schöpfungen, wie sie zu Bayerns Wohl und Ehre
blühen und blühen werden; mir sei es erlaubt ein Erinnerungsblatt zu geben,
welches, wenn auch nur mangelhaft, den erlauchten Herrn als Freund der
Natur und Gönner des Weidwerks zeichnet und Verhältnisse berührt, die, an
sich unscheinbar, seine liebenswürdige Persönlichkeit bekunden, unbeeinträchtigt
von dem Glanze einer Krone, dem Schimmer des Purpurs.
Der König liebte Gottes freie Natur, man kann sagen mit einem kind-
lichen Gemüte, und ein ritterlicher, poetischer Zug in seinem Wesen machte ihn
empfänglich für die Reize des Weidwerks, die ja in dem Naturleben ihre Heimat
haben. Die Berge unserer Alpen mit ihren großartigen Schönheiten waren daher
sein liebster Aufenthalt. Mit ganzer Seele gab er sich dem Genusse der mannig-
faltigen Szenerien hin, die den Morgen, die untergehende Sonne begleiten
oder die sternhelle Nacht, wenn sie über die phantastischen Formen der Kuppen
und Felshörner und über die mit wogenden Nebeln verschleierten Talgründe
sich lagert. Immer wurden die schönsten Plätze für die Birschhäuser gewählt
1) München, 1864.