Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

13. Markgraf Luitpolds Heldentod in der Ungarnschlacht. 51 
Arnulf dazu noch die böhmische Mark, die kärntnische Mark und Ober- 
pannonien verliehen erhalten. Welchem Geschlechte er angehörte, läßt sich mit 
vollkommener Sicherheit nicht angeben, aber unser vortrefflicher Geschichtschreiber 
Siegmund von Riezler 1) hat mit triftigen Gründen die hohe Wahrscheiulich- 
keit nachgewiesen, daß er von den Housiern abstammt, von jener Familie des 
alten bayerischen Hochadels, welche nach dem Herzogshause der Agilolfinger 
die mächtigste und vornehmste war. Und Luitpold selbst wurde der Vater 
eines ruhmvollen Geschlechts, das die Forscher mit seinem Namen verknüpfen 
und von dem sie wiederum mit nahezu völliger Bestimmtheit die Grafen von 
Scheyern, die Vorfahren der erlauchten Grafen von Wittelsbach ableiten, so 
daß er mit Fug und Recht als der Ahnherr unseres Königshauses gilt. 
Schlimm stand es damals um Deutschland. Während im Westen die 
Normannen die Küsten und die Uferlande plünderten, wüteten verheerende 
Fehden im Innern des Reiches, namentlich der blutige Zwist zwischen den 
Babenbergern und den Saliern, so daß die Ungarn ihre Einfälle in die bayerischen 
Grenzlande alljährlich wiederholen konnten. Genauere Nachrichten darüber 
sind uns nicht überliefert; aber wir wissen, daß sie in den Jahren 901, 902, 903 
Niederlagen erlitten, daß 904 ihr Anführer Chussal von den Bayern zum 
Gastmahle geladen und hier samt seinem Gefolge erschlagen wurde. 
Wie einst die Hunnen, die ebenfalls in den Pußten Ungarns hausten, 
waren sie gefürchtete Feinde. Ihr stürmischer Angriff war unwiderstehlich, 
ihre Todesverachtung im Kampfe war unerschütterlich, die Schnelligkeit ihrer 
Pferde entzog sie den Verfolgern, gestattete aber ihnen selbst eine unablässige 
Verfolgung. Religiöser Fanatismus trieb die wilden Heiden an; denn sie 
glaubten, daß sie einst im Jenseits so viele Leibeigene zur Bedienung haben 
würden, als sie Feinde erlegten. Dabei beseelte sie ein derartiger Blutdurst, 
daß sie auf den Leichen der Erschlagenen wie auf Tischen schmausten und 
tranken; die gefangenen Weiber und Mädchen banden sie mit deren Haar- 
zöpfen zusammen und trieben sie nach Ungarn. Wo sie hinkamen, zerstörten 
sie alles, sengten, brannten und vernichteten, was sie nicht mit sich schleppen 
konnten. Dieser Blutdurst, die unmenschliche Behandlung der Wehrlosen, die 
Zerstörungswut, dazu die häßliche Erscheinung der kleinen Gestalten mit gelben, 
breitknochigen Gesichtern und geschlitzten Augen, ließ sie den Deutschen wie 
höllische Unholde erscheinen und die Schnelligkeit, mit der sie — allerorten 
den roten Hahn auf die Dächer setzend und das Land in eine Wüstenei ver- 
wandelnd — plötzlich mitten im Lande erschienen und hinter den Rauchwolken 
der niedergebrannten Gebäude mit ihrem Raube wieder verschwanden, trug 
nicht wenig dazu bei den von ihnen ausgehenden Schreckensbann zu vermehren. 
Im Jahre 906 hatten die Ungarn einen bedeutenden Erfolg errungen, 
unter ihren wiederholten Angriffen war das große Reich der slavischen Mähren 
1) Geschichte Bayerns, I. 245 ff. 
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