Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

626 137. Einzug der bayerischen Truppen in München. 
um Bataillon präsentierte und die Musiken huldigten mit der Intonierung der 
Königshymne. Nachdem der König die Fronten abgeritten hatte, ertönte das 
Kommando zum Gebet und auf zum Herrn der Heerscharen, der so sichtlich 
mit uns gewesen war und unseren Waffen den Sieg verliehen hatte, stiegen 
die feierlich getragenen Akkorde der schönen Hymne Kaspar Aiblingers. Im 
Fluge überschaute das geistige Auge das hinter uns liegende Jahr und das 
große Werk, an dem wir mitgeschaffen, und auf den Schwingen der erhabenen 
Klänge rauschten heiße Dankgebete zum Himmel. 
Der König ritt zur Stadt zurück, die Truppen formierten sich zum Ab- 
marsch. Es war mittlerweile 11 Uhr geworden. Heiß brannte die Sonne, so 
heiß wie über Frankreichs Gefilden, und heiß wurde der Weg durch die Fluren 
nach Schwabing. Von da an standen die Menschen Kopf an Kopf und jubelten 
uns zu; aber gut war es, daß es Münchener und altbayerische Stammgenossen 
waren, die verständnisinnig erkannten, warum der Schweiß über die wetter- 
braunen Stirnen rinne und wonach die ausgetrockneten Kehlen lechzten. Ihre 
Arme streckten sich mit hilfreichen Spenden entgegen und die Steinkrüge wan- 
derten im Fluge durch die Kriegerreihen; auch ich tat einen Zug bis auf die 
Tiefen des Kruges. Auf Oberwiesenfeld aber donnerten französische Geschütze 
zum Salut und auf den Kirchtürmen läuteten mit ehernen Zungen die 
Glocken. 
In prophetischer Ahnung hat der edelste Sohn der wiedergewonnenen 
Reichsstadt Straßburg, der „teutsche“ König Ludwig I., dem bayerischen Heere 
das Siegestor gewidmet. Laubgewinde und Waffenschmuck umkleideten seine 
Massen und vom Sonnenglanz umfflossen leuchtete die Bavaria mit der mäch- 
tigen Löwenquadriga auf uns hernieder. Nachdem wir das Tor passiert hatten, 
wußten wir nicht, wohin wir die Blicke wenden sollten, so sehr nahm Prunk 
und Zier sie gefangen. In imposanter Fernsicht dehnte sich die weite Ludwigs- 
straße, eingefaßt durch ein Spalier von Flaggenmasten mit riesigen Schilden, 
auf denen die unserm Ohre so wohlvertrauten Namen der Siegesfelder, der 
eroberten Festungen, der Feldherren und die Ordensembleme prangten. Auf 
dem Universitätsplatze reihte sich in reichem Schmuck von Laubgewinden und 
wehenden Fahnen Tribüne an Tribüne, dicht besetzt mit Zuschauern, und auf 
hohen Sockeln aus Blumen und Girlanden erhoben sich die Kolossalbüsten 
des Kaisers und unseres Feldherrn, des Kronprinzen. Wie ein Traum aus 
Wallalla beschlich es das Herz. Das war der Dank des Vaterlandes. Und 
wie der Jubel uns entgegenjauchzte und die Tausende von Schulmädchen in 
weißen Kleidern mit ihren kindlichen Stimmen uns den Willkomm entgegen- 
sangen, da übermannte mich die Rührung und in den langen Feldzugsbart 
rollten die Tränen. Und dort im Hause neben der Kirche von St. Ludwig, 
da winkt und grüßt meine Schwester und schleudert mir einen Kranz zu — 
der kranke Vater weilt zu Haus, er sinnt über vergangene Tage nach, er lauscht 
dem Kanonendonner und dem Glockengruße und dem Flügelschlage der Raben
	        
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