Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

137. Einzug der bayerischen Truppen in München. 627 
um den Kyffhäuser und bei ihm sitzt die treue Mutter und sie gedenken des 
Tages, an dem ihr Segen die Söhne weihte zur Heerfahrt wider den Erbfeind. 
Fort geht der Marsch zwischen rauschenden Flaggen und jubelnden 
Menschenmauern. Dort hoch auf dem Sockel ragt König Ludwigs I. Gestalt; 
seine Manen schweben segnend um den Enkel, der ohne Zaudern die Treue 
bewährt hat. Hörtest du, teutscher König, den Donnerruf in deine stille Gruft 
„Straßburg ist über“? 
Einst sprachst du zu mir, dem neubeförderten Leutnant: „Sagen Sie 
Ihrem Herrn Papa, daß es mich freut, daß sein Sohn Meines Sohnes Offizier 
geworden ist!“ Und nun streckt sich jeder Mann in den Hüften und ich senke 
den Säbel salutierend vor deinem Enkel, dessen majestätisches Auge ernst auf 
seinen Kriegern ruht; von ihm wandert mein Blick zu „Unserm Fritz“, der 
zur Seite hält auf dem Rosse, das ihn bei Wörth getragen. Und dann lenke 
ich den Blick hinüber auf die andere Seite der Straße; dort auf der Tribüne 
der Verwundeten sitzt mein Bruder, die Krücke ans lahmgeschossene Bein 
gelehnt! 
Fort geht der Marsch. Die Feldherrnhalle ist in einen Garten umge- 
wandelt, aus dessen Grün im Vordergrund eines halbgeöffneten Tempels die 
Kolossalbüste des Königs Ludwig II. sich erhebt, zu ihren Füßen Medaillons 
mit den Porträts der Generale von der Tann und von Hartmann und zu 
deren Seiten Siegesgöttinnen, rechts und links stehen die Bildsäulen der Feld- 
herren Tilly und Wrede. Wer trägt ein dunkleres Kolorit, die ehernen Statuen 
oder wir sturm= und wettergebräunten Kriegsleute? Hinter den düsteren Ge- 
stalten leuchtet ein heller Kranz weißblauer Fahnen und zu ihren Füßen ragen 
dunkle Kanonenläufe aus der Verkleidung wie aus Schießscharten hervor um 
an den Krieg zu erinnern, aus dem der Frieden entsproß. In weitem Kreise 
vor der Loggia sind erbeutete Geschütze aufgestellt, eines dicht am andern, und 
dort stehen auch die Leibgarde der Hartschiere in ihrer prachtvollen Galatracht 
und die frohe Hoffnung des Heeres, die jugendlichen Kadetten: vorbei, vorbei! 
Wie die Wogen der Brandung umrauscht uns unnnterbrochen jubelnde Be- 
grüßung, aus allen Fenstern winken und neigen sich schöne Frauen und holde 
Mädchen und der Arm ermüdet, um alle die Blumen und die Kränze aufzu- 
fangen, die auf uns niederregnen wie der Geschoßhagel aus des Feindes Reihen. 
Durch die Theatiner-, Wein-, Kaufinger-, Neuhauserstraße — eine einzige via 
triumphalis — erreichen wir das Karlstor. Es war 1 Uhr. Dort auf dem 
Platze löste sich der Zug auf, die Bataillone marschierten in ihre Quartiere 
und Kasernen. 
Nun hieß es sich sputen, vom Staub und Schweiß des Marsches sich 
reinigen und in Gala werfen, denn ich war zu der großen Tafel befohlen, die 
der König seinen Offizieren im Schlachtensaale der K. Residenz gab und die 
um 3 Uhr begann. Der König erschien mit dem Kronprinzen und sämtlichen 
Angehörigen des K. Hauses und hielt einen kurzen Cercle, wobei er verschiedene 
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