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zimmer, in dessen einfache Holztäfelung zerbrochene Spiegelstücke, Uberreste des
Schloßbrandes von 1753, in bunter Unordnung eingesetzt sind; an die nur
vorübergehend getrübten herzlichen Beziehungen zu ihrem königlichen Bruder
dessen kostbares Geschenk, das in den Memoiren so interessant und ausführlich
beschriebene Chinesische Zimmer.
Die düstere Kehrseite all dieser prunkvollen Herrlichkeit tritt uns dann
freilich entgegen, wenn wir von den riesigen Summen hören, die hier verbaut
wurden. Auf die 1749 begonnene, 1753 vollendete Neue Eremitage wurden
in den beiden ersten Baujahren 32 346 fl. geliehenen Geldes verwendet und
der sogenannte „Sonnentempel“ soll allein 94000 Reichstaler gekostet haben.
Der Gedanke an die Opfer, die das Volk der Verschwendungssucht seiner
Fürsten zu bringen hatte, vergällt uns einigermaßen die Freude an den reiz-
vollen Bildern, die das glückliche Zusammenwirken von Landschaft und Archi-
tektur hier geschaffen hat. Wir bewundern billigerweise den raffinierten Ge-
schmack in der Einrichtung der ursprünglich für die Orangerie bestimmten
Wohnräume und die wieder gänzlich anders geartete imposante Dekoration
des Sonnentempels. Aber der Eindruck der künstlichen Ruinen, Eremiten-
häuschen, wasserrieselnden Grotten und ähnlicher Spielereien überzeugt uns
nur allzu deutlich davon, wie fremd diese Zeit und ihre Liebhabereien unserem
Gefühl und unseren Bedürfnissen geworden sind.
Auf dem Rückwege nach der Stadt versäumen wir es nicht dem alten
Rollwenzelhäuschen einen kurzen Besuch abzustatten. Da grüßt uns die Er-
innerung an ein drittes Bayreuth, gleich verschieden von der Markgrafen-
residenz wie von der modernen Festspielstadt und doch zwischen beiden eine
Art von geistiger Brücke schlagend: das Bayreuth Jean Pauls. Der echt
deutsche, gemütvoll geniale Dichter, der in demselben Jahre, da Richard Wagner
das Licht der Welt erblickte, in merkwürdig prophetischen Worten den kom-
menden Mann herbeigesehnt hatte, der in gleicher Weise poetisch und musi-
kalisch begabt „eine echte Oper zugleich dichten und setzen“ werde — er hat
die letzten 20 Jahre seines Lebens (1804—1825) in demselben Bayreuth zu-
gebracht, das dereinst die Stätte für die ungeahnte Erfüllung seiner musik-
dramatischen Zukunftsträumereien werden sollte. Das kleine Wirtshaus der
originellen „Rollwenzlin“ war sein Lieblingsaufenthalt. Täglich, im Winter
um 8, im Sommer um 6 Uhr ging er, einen weißen Pudel am Strick führend,
seinen Dachsranzen mit Büchern, Manuskripten und einer Flasche Wein beschwert,
durch den Hofgarten und die nach der Eremitage führende Allee nach Roll-
wenzel, wo er bis 1 Uhr arbeitete.
Wir wandern weiter und bald umbraust uns wieder das bewegte Fest-
treiben der Stadt. Das am ehemaligen Rennweg, der jetzigen Richard Wagner-
straße gelegene Wohnhaus des Bayreuther Meisters ist unser nächstes Ziel.
Das nach den Angaben des Bauherrn von dem Bayreuther Architekten Wölfel
entworfene und ausgeführte Gebäude zeigt vornehm einfachen Villenstil. Die