140. Bayreuth. 641
rreimenden Spießbürgern. Fest und besonnen tritt er für seinen Schützling
vein — umsonst; die Meister hören nicht auf ihn. Immer lebhafter und er-
regter wird der Meinungsaustausch, bald steigert er sich zum wilden Tumult,
aber siegreich über allem Lärm der Streitenden erhebt sich das Lied des
Ritters, dieser stolze Gesang voll Kampfeslust und Frühlingssehnen.
Der erste Aufzug ist zu Ende. Wir treten ins Freie. Noch ist heller
Tag. Im milden Glanze der Spätnachmittagssonne liegt die freundliche
Stadt zu unseren Füßen. Wir mischen uns unter die vorüberflutenden
Menschenmengen, die in sehr verschiedener Weise die Pause zu ihrer Erholung
benutzen. Die einen eilen in eines der eleganten Restaurants um rasch ihr
Diner einzunehmen, während andere die Einsamkeit aufsuchen um die emp-
fangenen Eindrücke ruhig in sich ausklingen zu lassen. Manch hochgestellte
Persönlichkeit, mancher Träger eines berühmten Namens begegnet uns, und
mit stiller Wehmut gedenken wir der Zeit, da der greise Meister hier selbst
noch inmitten seines Werkes wandelte, an der Seite der ehrwürdigen Gestalt
seines großen Freundes Franz Liszt, der auf dem Bayreuther Friedhof die
letzte Ruhestätte gefunden.
Der zweite Aufzug beginnt. Nach heißem Tage kühler Abendfriede,
Fliederduft, Johannisnacht! Hans Sachs sitzt sinnend vor seinem Laden.
Die Weise, die der Ritter gesungen, will ihm nicht aus dem Kopfe. Doch
es heißt auf der Hut sein. Walter von Stolzing, dem keine Hoffnung mehr
bleibt die Geliebte auf dem von ihrem Vater gewiesenen Wege zu gewinnen,
will Eva entführen. Das muß verhindert werden. Und wie Sachs das
verhindert, wie er dabei zugleich Gelegenheit findet an dem boshaften Beck-
messer sich zu rächen und schließlich noch die in Nürnbergs engen Gassen sich
entspinnende Rauferei für seine Zwecke nutzt, das entwickelt sich nun vor
unseren Augen in unvergeßlich köstlichen, von sonnigstem Humor durchleuchteten
Szenen.
Dann bringt der letzte Akt die glückliche Lösung allen Zwiespalts und
Mißverständnisses. Der junge Ritter hat in Sachsens Haus sein Unterkommen
für den Rest der Nacht gefunden. Das wunderbar verheißungsvolle nächtliche
Traumbild in einem Liede festzuhalten wird er von dem Schusterpoeten auf-
gefordert. So entsteht das Preislied, mit dem er die Braut sich ersingen
wird. Beckmesser erscheint. Der hatte mit seinem Preisliede, das er in der
vergangenen Nacht dem Goldschmiedstöchterlein als Ständchen darbrachte, kein
Glück gehabt. Nun ist er in großer Verlegenheit, aus der ihn Sachs errettet.
Das Blatt — Walters Preislied — das der Stadtschreiber auf Sachsens
Tische findet und das er für ein Gedicht des Schusters hält, wird ihm ge-
schenkt, und froh eilt er von dannen, ohne etwas von der List zu merken, der
er zum Opfer gefallen. Und nun geht es hinaus auf die Wiese, hinaus in
den Jubel und Trubel des Festes. Beckmesser singt zuerst und zwar Walters
Lied in gänzlich entstellter Weise. Verhöhnt und verspottet muß er abziehen.
Kronseder. Lesebuch zur Geschichte Bayerns. 41