Full text: Lesebuch zur Geschichte Bayerns.

642 141. König Ludwigs II. Persönlichkeit. 
Nun kann Sachs für seinen Schützling eintreten. Das ganze Volk, 
nicht mehr die Zunft allein soll Richter sein. Walter von Stolzing wird vor- 
gerufen. Er singt und jubelnd spricht ihm die Menge den Siegespreis zu. 
Aber noch immer nicht ist Sachs am Ziele angelangt. Der Ritter sträubt sich 
gegen die Aufnahme in die Meistergilde und neues Mißverständnis droht zu 
entstehen. Da ruft ihm Sachs mit tiesem Ernst die Mahnung zu: „Verachtet 
mir die Meister nicht und ehrt mir ihre Kunst.“ Nicht dürfe er eine Kunst 
gering schätzen, der er sein höchstes Glück verdanke, wenn sie auch nur eine 
Kunst von Bürgern und Handwerkern sei. 
„Daß unfsre Meister sie gepflegt Blieb sie nicht adlig, wie zur Zeit, 
Grad' recht nach ihrer Art, Wo Höf' und Fürsten sie geweiht, 
Nach ihrem Sinne tren gehegt, Im Drang der schlimmen Jahr' 
Das hat sie echt bewahrt: Blieb sie doch deutsch und wahr.“ 
Und dieser treue Sinn der bürgerlichen Meister wird auch der deutschen 
Kunst und dem deutschen Geiste über alles Unheil und alle Bedrohung der 
nächsten Zukunft hinweghelfen. Sachs sieht es voraus: 
„In falscher welscher Moajestät Ehrt eure deutschen Meister, 
Kein Fürst bald mehr sein Volk versteht; Dann bannt ihr gute Geister! — 
Und welschen Dunst mit welschem Tand Und gebt ihr ihrem Wirken Gunst, 
Hie pflanzen uns in deutsches Land. Zerging' in Dunst 
Was deutsch und echt, wüßt' keiner mehr, Das heil'ge röm'sche Reich, 
Lebt's nicht in deutscher Meister Ehr“. Uns bliebe gleich 
Drum sag'’ ich euch: Die heil'ge deutsche Kunst! 
Begeistert stimmen Ritter, Meister und Volk mit ein in diesen stolzen 
Sang von deutscher Art und Kunst und jauchzend vereint sich alles in dem 
Rufe: „Heil Sachs! Hans Sachs! Heil Nürnbergs teurem Sachs!“ 
141. König Ludwigs II. Persönlichkeit. 
Von Theodor Bitterauf. 1) 
Der König war eine wundervolle Erscheinung. Sein harmonischer Wuchs, 
sein dunkles Haar, sein blitzendes Auge gewannen ihm die Herzen, wo er sich 
zeigte. Aber die Zudringlichkeiten des Publikums waren ihm oft lästig. „Ich 
kann keine Illusion im Theater haben, solange die Leute mich unausgesetzt 
anstarren und mit ihren Operngläsern jede meiner Mienen verfolgen,“ klagte 
er nach einer Vorstellung von Goethes Iphigenie. „Ich will selbst schauen, 
aber kein Schauobjekt für die Menge sein.“ „Es verstimmt mich,“ meinte er 
ein andermal, „wenn ich meine harmlosen Liebhabereien an die große Glocke 
gehängt sehe und dieselben dann in gehässiger Weise kritisiert finde. Man hat 
1) „Bayern als Königreich 1806—1906; hundert Jahre vaterländischer Geschichte", 
S. 182 ff. München 1906, Oskar Beck.
	        
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