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flügen in die Schweiz und den Besuchen heimatlicher Gegenden, vor allem der
fränkischen Provinzen, hat er die Wartburg sich angesehen und zweimal weiltee
er in Paris. Nach Spanien, für das er eine größere Vorliebe hatte als für-
Italien, ist er nicht gekommen.
So wurde es im Laufe der Jahre um den Monarchen, den die Welt
mit ihrer Alltäglichkeit, die Menschen mit ihrer Selbstsucht immer mehr ab-
stießen, stets einsamer und stiller; seine Neigungen wurden immer launenhafter
und sonderbarer; sein Gemüt umdüsterte sich mehr und mehr, seine innere
Unruhe und Angst steigerten sich. Und so kam endlich, was kommen mußte:
über das Leben des hochbegabten, hoffnungsvollen Fürsten brach die furcht-
bare Katastrophe herein. Und wenn der kranke König, anders als sein Groß-
vater, als König ohne Krone nicht mehr sein wollte, wenn ihm Leben schließ-
lich gleichbedeutend war mit Bauen, so können wir vor der erschütternden
Tragik seines Geschickes nur schweigend trauern. Wir betrachten eine Kerze,
nicht weil sie sich schließlich selbst verzehrt, sondern weil sie uns Licht spendet.
Napoleon I. nennt die Leute von Genie die Meteore, die brennen müssen,
ihr Jahrhundert zu erleuchten.
Ludwig II. wird in der Geschichte fortleben nicht als der kranke Mann,
sondern als der begeisterte Herold des Deutschen Reiches, der ideale Führer
seines Volkes zum Edlen, Guten, Wahren, Schönen. Und so dürfen wir ihm
das Lob spenden, das Goethe dem Lieblingsdichter des Königs in die Gruft
nachgerufen hat:
— hinter ihm, im wesenlosen Scheine,
Lag, was uns alle bändigt, das Gemeine.
142. Unser Prinzregent Luitpold.
Von Karl Theodor von Heigel.)
Wenn heute einer jener Bayern, die unter des Pfalzgrafen Otto von
Wittelsbach Führung in der Veroneser Klause die Ehre des deutschen Reichs-
banners und den Kaiser retteten, in sein Heimatland zurückkehrte, würde er
über die veränderte Welt staunen, bei jedem Schritt und Tritt auf Wunder
stoßen. Und doch fühlte er sich trotz alledem daheim! Das Ringsum hat
sich verändert. Aus dem Dorfe Munichen wurde eine volkreiche, schöne Stadt,
Tracht und Hausrat, Wehr und Waffen wechselten, aber die Menschen blieben
in ihrem Kern und Wesen die gleichen. Die deutschen Stämme ließen nicht
von ihrer Art, und wie sie in allem Wandel der Schicksale unerschüttert im
Bewußtsein ihrer Einheit blieben, so fest und den Vorfahren ähnlich blieben
sie auch durch die Jahrhunderte bis heute in der Liebe und Treue zu ihren
Stammesfürsten. Als den Deutschen noch der Kampf Zweck, Inhalt und
1) „Festrede zur Feier des 80. Geburtstages des Prinzregenten Luitpold, gehalten
im Akademischen Gesangverein zu München“. München 1901, Oskar Beck.