Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

326 8 34. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. 
dürfen kein unmittelbares Staatsamt bekleiden '. Der Wahlvorstand 
wird in der Art konstruiert, daß der Wahlvorsteher bei Eröffnung der 
Wahlhandlung den Protokollführer und die Beisitzer mittelst Hand- 
schlags an Eidesstatt verpflichtet?). Der Wahlvorstand nimmt an einem 
Tische Platz, der so aufgestellt wird, daß derselbe von allen Seiten 
zugänglich ist. Auf diesen Tisch wird ein verdecktes Gefäß (Wahlurne) 
zu Hineinlegen der Stimmzettel gestellt. Vor dem Beginn der Ab- 
stimmung hat sich der Wahlvorstand davon zu überzeugen, daß das- 
selbe leer ist®). Zu keiner Zeit der Wahlhandlung dürfen weniger als 
drei Mitglieder des Wahlvorstandes gegenwärtig sein. Der Wahlvor- 
stand und der Protokollführer dürfen sich während der Wahlhandlung 
nicht gleichzeitig entfernen *). 
4. Die Stimmenabgabe erfolgt durch Stimmzettel, welche in 
die Wahlurne niedergelegt werden. Die Reichsverfassung Art. 20 schreibt 
»geheime Abstimmung« vor; eine Reihe von Bestimmungen, welche 
das Wahlgesetz und das Wahlreglement enthalten, haben den Zweck, 
die Durchführung dieses Verfassungsprinzips zu sichern und gleich- 
zeitig der damit leicht verbundenen Gefahr von Fälschungen und 
Betrug vorzubeugen’). Die erheblichsten sind folgende ®): 
a) Das Wahlrecht muß in Person ausgeübt werden. Abwesende 
können weder durch Stellvertreter, noch in irgend einer anderen Art 
an der Wahl teilnehmen’). Der Wähler tritt an den Wahltisch und 
gibt seinen Namen, bezw. seine Wohnung an. Erst wenn der Protokoll- 
führer den Namen des Wählers in der Wöählerliste aufgefunden hat, 
wird derselbe zur Ausübung des Wahlrechts zugelassen. Der Proto- 
kollführer vermerkt neben dem Namen des Wählers in der Wählerliste 
in einer hierzu bestimmten Rubrik derselben durch ein Zeichen, daß 
das Wahlrecht ausgeübt worden sei, teils um die Anzahl der abge- 
gebenen Stimmen festzustellen, teils um einer wiederholten Ausübung 
des Wahlrechts seitens desselben Wählers vorzubeugen). 
b) Die Stimmzettel müssen von weißem Papier sein; sie dürfen 
mit keinem äußeren Kennzeichen versehen sein; sie dürfen nicht im 
Wahllokale geschrieben werden, sondern sind außerhalb des Wahl- 
lokals mit dem Namen des Kandidaten, welchem der Wähler seine 
Stimme geben will, handschriftlich oder im Wege der Vervielfältigung 
1) Wahlgesetz $ 9, Abs. 2. 2) Wahlreglement $ 12, Abs. 1. 
3) Wahlreglement $ 11. 
4) Wahlreglement $ 12, Abs. 2. 
5) Diese Bestimmungen sind meistens dem französischen decret reglementaire 
vom 2. Februar 1852 entnommen. v. Mohl, Krit. Bemerk. S. 69. 
6) Das in der Verfassung sanktionierte Prinzip hat aber noch vielfach andere 
Konsequenzen; insbesondere ist jede obrigkeitliche, namentlich zeugeneidliche Ver- 
nehmung von Wählern, wie sie gewählt haben, unzulässig. Vgl. auch Stenogr. Be- 
richte 1874, I. Sess., S. 724fg. Aber Befragung in der Beichte!? 
7) Wahlgesetz 8 10. Wahlreglement 8 14. 
8) Wahlreglement $ 15, 16.
	        
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