Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Erster Band. (1)

8 45. Die Anstellung der Reichsbeamten. 451 
b) die Konsuln — sowohl Berufskonsuln als Wahlkonsuln. 
Dagegen werden nach 8 3 a.a.0O. die Anstellungsurkunden der 
übrigen Reichsbeamten im Namen des Kaisers vom Reichskanz- 
ler oder von den durch denselben dazu ermächtigten Behörden er- 
teil. Der Reichskanzler hat sonach in dieser Hinsicht eine generelle 
Substitutionsvollmacht. Soweit durch Reichsgesetz oder vertragsmäßig') 
eine abweichende Bestimmung getroffen ist, bleibt dieselbe selbstver- 
ständlich in Kraft ($ 4). Die Reichsgesetze enthalten mehrfach Anord- 
nungen, welche teils dem Reichskanzler, teils den Chefs von Behörden 
die Ernennung gewisser Beamten übertragen ?). 
2. Bezüglich der Person des Anzustellenden gilt als ein allgemeiner 
Grundsatz nur die Vorschrift des Strafgesetzbuches, daß die Verurtei- 
lung zur Zuchthausstrafe die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung 
öffentlicher Aemter von rechtswegen zur Folge hat (8 31) und daß die 
Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte während der im Urteil 
bestimmten Zeit die Unfähigkeit bewirkt, öffentliche Aemter zu erlangen, 
($ 34). Die Unfähigkeit, ein Öffentliches Amt zu erlangen, schließt 
aber die Unfähigkeit, im Staatsdienst angestellt zu werden, in sich; 
weil diese Anstellung eben nur zu dem Zwecke erfolgen darf, daß der 
Angestellte ein öffentliches Amt bekleide. 
Im übrigen ist die Befähigung, im Reichsdienst angestellt zu wer- 
den, an besondere Voraussetzungen nicht gebunden ; insbesondere ist 
weder Reichsangehörigkeit, noch Großjährigkeit, noch Freiheit von der 
väterlichen Gewalt erforderlich >). 
3. Die Form, in welcher der Anstellungsvertrag geschlossen wird, 
bestimmt sich durch $ 4 des Beamtengesetzes. »Jeder Reichsbeamte 
erhält bei seiner Anstellung eine Anstellungsurkunde.« Dadurch 
ist der mündliche Abschluß des Rechtsgeschäfts ausgeschlossen. Die 
Anstellungsurkunde heißt »Bestallung« %). Soweit einer Behörde die 
Ernennungsbefugnis delegiert ist, ist eine schriftliche Eröffnung dieser 
1) Dies bezieht sich nur auf die sogenannten mittelbaren Reichsbeamten (Militär-, 
Post-, Telegraphenbeamte). 
2) Bisweilen ist dem Reichskanzler die Ernennung von Reichsbeamten 
übertragen, jedoch nach Anhörung von Bundesratsausschüssen; so z. B. hinsichtlich 
der Inspektoren für die Steuermanns- und Schifferprüfungen (Bekanntm. vom 6. Aug. 
1887, 8 56, Reichsgesetzbl. S. 407) und der Inspektoren für das Schiffvermessungs- 
wesen. (Verordn. vom 5. Juli 1872, 8 21. Reichsgesetzbl. S. 277.) 
3) Vgl. KanngießerS. 24. Auch männliches Geschlecht ist reichsgesetzlich 
nicht erforderlich; der Anstellung von Frauen und Mädchen im Post- und Telegra- 
phendienst, im Reichseisenbahndienst u. s. w. steht kein rechtliches Hindernis ent- 
gegen. Das Verzeichnis der Reichsbeamten im Reichsgesetzbl. 1874, S. 179 und die 
Besoldungsordn. I, Klasse 8 erwähnen die „Telegraphengehilfinnen“. Für die Ueber- 
tragung eines Amtes ist aber der Nachweis der erforderten Befähigung, in der 
Regel die Ablegung gewisser Prüfungen vorgeschrieben, für einzelne Aemter die Be- 
fähigung zum Richteramte. 
4) Verordn. vom 31. März 1873. Reichsgesetzbl. S. 135.
	        
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