142 8 61. Der Abschluß von Staatsverträgen.
und ein Aufschub des definitiven Vertragsabschlusses mit Nachteilen
verknüpft ist!). Die Erfüllung dieser Verpflichtung ist aber eine res
interna des Reiches; es ist lediglich Sache des Bundesrates und Reichs-
tages, gegen Verletzungen derselben zu reagieren. Die völkerrechtliche
Gültigkeit des vom Kaiser ratifizierten Vertrages bleibt gänzlich unbe-
rührt davon, weil diese Verpflichtung des Kaisers die formelle Legiti-
mation desselben zum Vertragsabschlusse nicht betrifft, der fremde
Staat aber nur diese Legitimation zu prüfen hat.
4. Ob nun in der Tat die Reichsverfassung bei denjenigen Staats-
verträgen, zu deren Vollziehung die Mitwirkung von Bundesrat und
Reichstag erforderlich ist, nicht bloß diese Befugnisse sicherstellen,
sondern die Vollmacht des Kaisers nach außen beschränken und die
völkerrechtliche Gültigkeit von der Zustimmung des Bundesrats und
Reichstags abhängig machen wollte, ist bei der Unklarheit des Aus-
drucks mit Bestimmtheit nicht zu entscheiden ?).
Für die Ansicht, den Abs. 3 des Art. 11 nur auf das innere staats-
rechtliche Verhältnis zu beziehen, läßt sich geltend machen, daß in
demselben Artikel im Abs. 2 die Zustimmung des Bundesrats zur Er-
klärung des Krieges für gewisse Fälle erfordert wird, während nach
Abs. 1 dem auswärtigen Feinde gegenüber der Kaiser in allen Fällen
»im Namen des Reiches Krieg zu erklären hat«. Auch hier legt Abs. 2
dem Kaiser eine staatsrechtliche Pflicht auf, beschränkt aber
nicht seine völkerrechtliche Legitimation ?).
1) Beispiele für dieses ausnahmsweise Verfahren bilden der zwischen Deutsch-
land und Oesterreich-Ungarn abgeschlossene Handelsvertrag vom 16. Dezember 1878,
welchem der Reichstag am 25. Februar 1879 die Genehmigung erteilt hat (Reichsge-
setzbl. 1879, S. 11); sowie die Handelsverträge mit Spanien vom 12. Juli 1883 (RGBl.
S. 303) und vom 30. Dez. 1893 (RGBl. 1894 S. 109). Siehe unten S. 148 fg.
2) In der Literatur ist die Auslegung des Art. 11, Abs. 3 streitig. Eine völker-
rechtliche Wirksamkeit, so daß ein vom Kaiser geschlossener Vertrag nichtig ist,
wenn er nicht die Zustimmung des Bundesrates und die Genehmigung des
Reichstages erlangt hat, schreiben dem Abs. 8 zu Thudichum S. 91 ff., 127;
v. Mohl, Reichsstaatsrecht S. 304; Gorius a.a. O. und besonders E.Meiera.a. O.
Ss. 275ff.; Pröbst a.a. O. S. 292 fl. und Seydel, Kommentar S. 163 ff. Ihnen
haben sich angeschlossen Unger, Zorn, PresteleS.48ffl.; Gierkein Grün-
huts Zeitschr. Bd. 6, S. 231; v. Rönne (2. Aufl, Schulze, v.Sarwey ($ 86,
Note 9), Leoni an den oben S. 125 zitierten Orten. Für die entgegengesetzte, hier
im Text vertretene Ansicht haben sich erklärt Gneist a. a. 0. S.358; v. Gerber,
Staatsrecht (3. Aufl.) $ 54, Note 2; G. Meyer, Annalen 1878, S. 379 ff. und Staats-
recht $ 190; ferner Ryk a. a. O.; Klöppel, Preuß. Jahrb. Bd. 52, S.294 ff. Arndt,
Staatsr. S. 711; v. JagemannS. 106; Anschütza.a. O.; Dambitsch S. 297.
Endlich Seligmann S. 146 ff. führt im Anschluß an Jellinek, Gesetz und Ver-
ordnung S. 341 fg., 354, die Theorie aus, daß das völkerrechtliche Rechtsgeschäft an
sich durch die Ratifikation des Kaisers zustande komme, aber unter der juris con-
ditio der Genehmigung des Bundesrats und Reichstags, so daß es erst nach Er-
teilung derselben rechtliche Wirkungen erlange; vgl. dagegen die sehr zutreffende
Widerlegung von Tezner in Grünhuts Zeitschr. Bd. 20, S. 168 ff.
3) Anderer Ansicht Pröbst a.a. O. S. 293fg.; Prestele S. 48 ff. — Aller-
dings ist Abs. 2 des Art. 11 in der Verfassung des Norddeutschen Bundes nicht ent-