Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

156 8 61. Der Abschluß von Staatsverträgen. 
die Auswechslung dieser Urkunden die Ratifizierung oder Ratifi- 
kation des Vertrages. Sie wird in den Punktationen der Bevoll- 
mächtigten in der Regel ausdrücklich vorbehalten, bisweilen unter 
Verabredung einer bestimmten Frist, binnen welcher sie erfolgen soll; 
aber auch ohne ausdrückliche Verabredung versteht sich der Vorbe- 
halt der Ratifizierung von selbst. Dem Souverän und seinen Räten 
wird dadurch Gelegenheit geboten, zu prüfen, ob der Bevollmächtigte 
seinen Instruktionen gemäß gehandelt habe, ob der festgestellte Wort- 
laut des Vertrages klar und deutlich dem wahren Willen des Souveräns 
entspricht usw. Der völkerrechtliche Vertrag wirderst 
durch die Ratifizierung abgeschlossen, erst durch sie 
im juristischen Sinne perfekt!. Man muß sich auch an diesem Punkte 
hüten, die juristische Auffassung von der politischen beirren zu lassen. 
Das politische Problem ist gelöst, wenn die Bevollmächtigten sich über 
den Staatsvertrag geeinigt haben; für den Politiker und Staatsmann 
hat nur die Feststellung des definitiven Wortlautes Interesse, die nach- 
folgende Auswechslung formeller Dokumente ist von seinem Stand- 
punkte eine Formalität ohne praktische Bedeutung. Im Rechtssinne 
dagegen existiert vor der Ratifikation der Staatsvertrag überhaupt noch 
gar nicht, sondern lediglich ein Vertragsentwurf?). 
Bevor nun der Souverän den Vertrag abschließt, kann er den 
Entwurf desselben der Volksvertretung zur Genehmigung vorlegen 
und sich von derselben die staatsrechtlich erforderliche Zustimmung 
zur Erfüllung des Vertrages erteilen lassen. Erst wenn dies geschehen 
ist, kann der Souverän den Vertrag mit der Gewißheit abschließen, 
daß er zur Erfüllung desselben in der rechtlichen Lage ist, und da der 
Souverän einen Konflikt zwischen den völkerrechtlichen  Verbindlich- 
keiten des Staates und den staatsrechtlichen Voraussetzungen ihrer 
und Verfügungen“ des Kaisers auf, die Praxis hat aber mit Recht angenommen, daß 
es auch für andere Regierungsakte des Kaisers gilt. 
1) Die Autoritäten des Völkerrechts sind hierüber völlig einverstanden. Vgl. z.B. 
Charles de Martens, Manuel diplomatique cap. 10, Nr. 5; G. Fr.v. Martens, 
Precis du droit des gens 8 48; Vattel, Le droit des gens Il, 8 156; Heffter, 
Völkerrecht $S 87; Hartmann, Institut. des Völkerrechts S. 130; Calvo, Le droit 
international I, $ 589; Bulmerincg in v. Holtzendorffs Rechtslexik. Art. Ratifika- 
tion, Bd. 3, S. 256. Eine Abhandlung (von Wurm) über die Ratifikation von Staats- 
verträgen ist in der Deutschen Vierteljahrsschrift 1845, I, S. 163 ff. enthalten. Vgl. 
ferner Amari, Diritto internationale (Milano 1875) II, pag: 494—502, der zahlreiche 
Schriftsteller anführt und überhaupt die Frage ausführlich behandelt. Donati 
p- 250 sg. Ferner SeligmannS. 24fg.; Störk S. 522 ff. 
2) In formeller Beziehung ist es nicht absolut notwendig, daß die Ratifikations- 
urkunde den Wortlaut des Vertrages wiederholt; es genügt, wenn die von den Be- 
vollmächtigten festgestellten Punktationen (der Vertragsentwurf) in der Ratifikations- 
urkunde dergestalt in Bezug genommen werden, daß sie hinlänglich genau bezeichnet 
werden. Diese Form der Ratifikation wird bisweilen ausdrücklich vereinbart; so 
z. B. im Zollvereinsvertrag (Bundesgesetzbl. 1867, S. 112), in den Postverträgen vom 
23. November 1867 (Bundesgesetzbl. 1868, S. 68, 96, 115) u. a. Vgl. über diesen, von 
der diplomatischen Uebung abweichenden Modus Calvo.a.a. 0. I, $ 588.
	        
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