166 8 62. Die staatsrechtliche Gültigkeit völkerrechtlicher Verträge.
ist nur, daß auch die Ausführungsbestimmungen durch völker-
rechtlichen Vertrag vereinbart werden können, welcher der
Genehmigung des Reichstages nicht bedarf, wenn er nur Verwaltungs-
maßregeln oder Detailvorschriften innerhalb der durch den geneh-
migten Staatsvertrag sanktionierten Grundsätze betrifft.
9. Außerkraftsetzung!).
Aus dem Satz, daß die Sanktion der in den Staatsverträgen ent-
haltenen Rechtsvorschriften mit Rücksicht auf die zugrunde liegenden
internationalen Vereinbarungen und Verpflichtungen erfolgt, ergibt sich
eine wichtige Verschiedenheit der Staatsverträge gegenüber anderen
Gesetzen hinsichtlich der Aufhebung ihrer Geltung. Dieselbe bestimmt
sich nicht nach den rein staatsrechtlichen Regeln von der formellen
Gesetzeskraft (siehe oben 8 57, ]), d. h. sie kann auch eintreten, ohne
daß hierzu der Weg der Gesetzgebung beschritten zu werden braucht.
Hierbei ist von dem häufigen Falle, daß im Staatsvertrage selbst eine
bestimmte Dauer seiner Geltung vereinbart ist, abzusehen; denn der
Endtermin bezieht sich zugleich auch auf die staatsrechtliche
Geltung. Ebenso können die Fälle außer Betracht bleiben, daß in dem
Vertrage entweder die Verlängerung der Gültigkeitsdauer oder anderer-
seits die Kündigung vorbehalten ist; denn die Genehmigung des Ver-
trages erstreckt sich auch auf eine solche Klausel, enthält also zügleich
die entsprechende Ermächtigung für die Regierung’). Als ein uner-
1) Vgl. die Erörterungen von Heilborn, Archiv Bd. 12 S. 173 ff.
2) Heilborn S. 186 ff. hält eine Delegation für nicht erforderlich, weil der
Kaiser schon nach Art. 11 der Reichsverfassung befugt sei, Staatsverträge zu ver-
längern und zu verkürzen. Für die Verlängerung ist dies jedenfalls unzutreffend; denn
wenn der Vertrag für eine bestimmte Zeit geschlossen ist, so ergeht auch das Vertragsge-
setz mit diesem Endtermin seiner Geltung; es bedarf also einerErmächtigung des Kaisers,
zwar nicht um die Verlängerung des Vertrages mit dem anderen Staate zu verein-
baren, wohl aber um die Geltung des Vertragsgesetzes zu verlängern. Dies ist
auch von der Reichsregierung in dem von Heilborn S. 183 berichteten Falle an-
erkannt worden. Verliert der Vertrag durch Kündigung seine Geltung, so verliert
allerdings auch das Vertragsgesetz seine Wirksamkeit, da es ja nur die Ausführung
oder Erfüllung des Vertrages zum Gegenstand hat. Da nun die Kündigung ein völker-
rechtliches Rechtsgeschäft ist, zu dessen Vornahme der Kaiser verfassungsmäßig
legitimiert ist, so kann eine Ermächtigung zur Aufhebung des Vertragsgesetzes über-
flüssig erscheinen. Allein die völkerrechtliche Legitimation des Kaisers ist
wohl zu unterscheiden von der Frage, zu welchen internationalen Akten der Kaiser
staatsrechtlich befugt ist. Man kann doch nicht annehmen, daß der Kaiser kraft
dieser Legitimation befugt sei, durch einen Akt der völkerrechtlichen Vertretung das
gesetzliche Reichsrecht, vielleicht die Reichsverfassung selbst außer Geltung zu
setzen. Die völkerrechtliche Legitimation und die innerstaatliche Zuständigkeit sind
auch hier wohl zu unterscheiden. Soll daher das für eine bestimmte Zeit in Geltung
tretende Vertragsgesetz aus anderen als völkerrechtlichen Gründen vor-
her außer Kraft gesetzt werden, so bedarf der Kaiser dazu allerdings einer gesetz-
lichen Ermächtigung, welche in der Genehmigung der Kündigungs-
klauselenthalten ist. Wird der Vertrag von dem auswärtigen Staate
gekündigt, so verliert selbstverständlich zugleich mit dem Vertrage auch das Ver-
tragsgesetz seine Geltung.