8 64. Der Begriff der Verwaltung. 175
fassung als zu eng und unzutreffend erkannt und spricht statt von
der vollziehenden Gewalt von dem pouvoir administratif oder der
Verwaltung. Man kommt daher zu der Definition: Verwaltung ist
alles dasjenige, was nicht zur Sphäre der Gesetzgebung oder der Ge-
richtsbarkeit gehört'!). Diese Definition gibt aber kein positives Merk-
mal; sie sagt nur, was nicht Verwaltung ist. In der Tat ist es auch
unmöglich, innerhalb der Theorie von der Teilung der Gewalten die
Verwaltung von der Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit nach dem ma-
teriellen Inhalt der Verwaltungsakte abzugrenzen, da ja auch die
Sphären der legislativen und richterlichen Gewalt nicht materiell be-
stimmt sind. Vielmehr kann man zu einer positiven Charakterisie-
rung der administrativen Gewalt nur gelangen, wenn man mit logi-
scher Folgerichtigkeit den Weg weiter verfolgt, auf welchem man zur
Begriffsbestimmung der gesetzgebenden und richterlichen Gewalt ge-
langt ist. Indem die letzteren diejenigen staatlichen Akte umfassen,
welche der Herrschaft des Staatsoberhauptes durch die freie Selbstbe-
stimmung des gesetzgebenden Körpers und durch die Unabhängigkeit
der Gerichte entrückt sind, ergibt sich als »Verwaltung« die Summe
aller staatlichen Handlungen und Willensbetätigungen, welche der
Leitung des Staatsoberhauptes unterliegen. In der kon-
stitutionellen Monarchie ist pouvoir administratiff der Machtbe-
reich des Landesherrn, der freiistvon der Mitwir-
kung der Volksvertretung und unbeschränkt durch
die Gesetzesauslegung der Gerichte. Diese Macht kommt
zur Ausübung durch das freie Ernennungsrecht der Minister (Ressort-
chefs) und durch die Pflicht der Behörden zum Gehorsam gegen die
dienstlichen Anordnungen der letzteren. Der Monarch und die von
ihm ernannten Minister können keine Anordnungen erlassen, welche
in das der Gesetzgebung vorbehaltene oder von ihr okkupierte Gebiet
oder in die gesetzlich vorbehaltene Zuständigkeitssphäre der Gerichte
eingreifen; alles Uebrige unterliegt ihrer staatlichen Disposition und
bildet das Gebiet der »Verwaltung«, ohne daß der materielle Inhalt
des staatlichen Willensaktes weder für noch gegen die Zugehörigkeit
zu diesem Gebiet in Betracht kommt. So fallen z. B. in diesen Be-
reich auch diejenigen Akte, welche inhaltlich die Rechtsordnung oder
die Rechtspflege betreffen (Rechtsverordnungen und Verwaltungs-Ent-
scheidungen), und andererseits fallen nicht darunter alle in Gesetzes-
form zu erledigende und alle den Gerichten übertragene Geschäfte,
gleichviel welcher Art und welchen Inhalts. Da nun der dienstlichen
Gehorsamspflicht und Unterordnung der Behörden unter die Befehle
des Ressortchefs die Verantwortlichkeit des letzteren entspricht und
das konstitutionelle Staatsrecht die Gültigkeit der Anordnungen des
Monarchen von der Gegenzeichnung eines verantwortlichen Ministers
1) G. Meyer, Staatsrecht 8 176 a. Anfang; v. SarweyS. 14; Seligmann
S. 69, Note 2 u. A.; Anschütz S. 610; FleinerS. 121g.