Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

256 8 68. Das Reichsland. Die Organisation des Reichslandes. 
Das Wahlrecht wird in Person durch Abgabe eines Stimmzettels in eine 
abgeschlossene Wahlurne ausgeübt. Für die Beschaffenheit des Stimm- 
zettels gelten die gleichen Bestimmungen wie für die Reichstagswahlen; 
die Wahlurnen sollen den im Verordnungswege zu erlassenden Be- 
stimmungen entsprechen (8 8). Die Wahl sowie die Ermittelung des 
Wahlergebnisses erfolgt öffentlich ($ 9. Falls die Wahl keine Majorität 
für einen Kandidaten ergeben hat, findet keine sogen. Stichwahl statt, 
sondern am 7. Tage nach der Hauptwahl eine Nachwahl, bei welcher 
derjenige gewählt ist, welcher die meisten gültigen Stimmen (relative 
Mehrheit) erhalten hat ($ 10). Wird die Wahl abgelehnt oder für 
ungültig erklärt oder scheidet ein Mitglied während der Wahlperiode 
aus, so findet »sofort« eine Ersatzwahl statt ($ 11)'). Die Verteilung 
der Kosten der Wahlen ist so wie bei den Reichstagswahlen geregelt 
($ 12). Soweit das Verfahren durch das Wahlgesetz nicht festgestellt 
ist, wird es durch Kaiserliche Verordnung geregelt, welche nur durch 
(Landes-)Gesetz abgeändert werden kann ($ 13) ). 
c) Die Entscheidung über die Gültigkeit angefochtener Wahlen der 
Mitglieder beider Kammern ist durch das Verfassungsgesetz $ 9 den 
letzteren entzogen und einem Senat des Oberlandesgerichts übertragen, 
an dessen Stelle der oberste Verwaltungsgerichtshof treten wird, sobald 
derselbe errichtet sein wird). Berechtigt zur Erhebung des Einspruchs 
ist jeder Wahlberechtigte, der an der betreffenden Wahl teilnehmen 
durfte, und bei Wahlen zur zweiten Kammer auch jeder Wählbare, 
der bei der Wahl Stimmen auf sich vereinigt hat*. Der Einspruch 
ist binnen 14 Tagen nach der amtlichen Feststellung des Wahlergeb- 
nisses bei dem Oberlandesgericht einzulegen und zu rechtfertigen ?). 
Im übrigen hat jede Kammer die Legitimation ihrer Mitglieder zu 
prüfen. Zu diesem Zwecke sind ihr die abgeschlossenen Akten über 
die Wahl ihrer Mitglieder vorzulegen und wenn Zweifel entstehen, ob 
die gesetzlichen Voraussetzungen der Mitgliedschaft vorhanden sind, 
so entscheidet das erwähnte Gericht auf Verlangen der Kammer, der 
das Mitglied angehört‘). 
1) In der Wahlordnung $ 27 wird dies näher dahin bestimmt, daß die Frist, in 
welcher die Ersatzwahl vorzunehmen ist, in der Regel den Zeitraum eines Viertel- 
Jahres seit Erledigung des Sitzes nicht überschreiten soll. 
2) Diese Wahlordnung ist erlassen am 31. Juli 1911 (Gesetzbl. S. 45); sie 
enthält Vorschriften über die Aufstellung und Berichtigung der Wählerlisten (8 1—6), 
über die Zusammensetzung und die Funktionen des Wahlvorstandes ($ 7 ff.); über die 
Stimmzettel und deren Abgabe (8 12 ff.); über die Nachwahl ($ 25) und über die Be- 
nachrichtigung des Gewählten (8 26). 
3) Diese Vorschrift schließt sich an das bisherige Recht an; vgl. die Mo- 
tive Ss. 16. 
4) Hiernach genügen zwei Stimmen zur Legitimation zur Erhebung des Ein- 
spruchs. 
5) Der Einspruch kann sowohl auf den Mangel einer gesetzlichen Voraussetzung 
als auch auf Unregelmäßigkeiten des Verfahrens gestützt werden. Motivea.a.0. 
6) Das Verlangen der Kammer kann nur durch einen Beschluß erklärt werden;
	        
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