Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 289 
Schutzgebiet, unter »entsprechender« Anwendung des 8 9 des Gesetses 
vom 1. Juni 1870). 
3. Die Eingeborenen sind Untertanen des Reichs und seiner 
obrigkeitlichen Gewalt unterworfen, vertragsmäßig ist aber die Aus- 
übung von Hoheitsrechten über die Eingeborenen in den oben ange- 
führten Schutzgebieten den einheimischen Häuptlingen vorbehalten wor- 
den. Der Gerichtsbarkeit des Reichs unterliegen sie nur insoweit, als sie 
ihr besonders unterstellt werden. Das Schutzgebietsgesetz $ 4 schreibt 
vor daß durch eine kaiserliche Verordnung bestimmt wird, inwieweit die 
Eingeborenen der Schutzgebietsgerichtsbarkeit unterliegen und welche 
Teile der Bevölkerung den Eingeborenen gleichgestellt werden. Die glei- 
chen Vorschriften enthält$1 Abs. 3 dieses Gesetzeshinsichtlich der Geltung 
des Gesetzes über die Eheschließung und die Beurkundung des Personen- 
standes. Reichsangehörig sind die Eingeborenen nicht; sie sind im 
Sinne der Reichsgesetze Ausländer; siekönnen aber durch kaiser- 
liche Verordnung hinsichtlich des Rechts zur Führung der Reichsflagge 
den Reichsangehörigen gleichgestellt werden, ohne daß dies jedoch die 
Anwendbarkeit der gesetzlichen Vorschriften über die Unfallversicherung 
der Seeleute zur Folge hat. Schutzgebietsgesetz $ 10. Von dieser spe- 
ziellen Anordnung abgesehen finden die Reichsgesetze auf die Einge- 
borenen keine Anwendung; sie haben keine Pflichten gegen das Reich, 
als die aus der Untertanschaft sich ergebende allgemeine Gehorsams- 
pflicht. 
Wer aber ist »veingeboren«? Da die Schutzgebiete keine Staaten 
sind, so gibt es in ihnen auch keine Staatsangehörigkeit und auch 
wenn man dieselbe durch eine Schutzgebietsangehörigkeit ersetzen 
wollte, so fehlt es an allen Regeln über den Erwerb und Verlust der- 
selben, da die Vorschriften des Gesetzes vom 1. Juni 1870 auch keine 
analoge Anwendung finden können, und ebenso fehlt es an der 
Möglichkeit, die Voraussetzungen dieses Gesetzes festzustellen und die 
Identität der Einzelnen zu konstatieren. Diese Schwierigkeit ist aber 
dadurch erledigt worden, daß die kaiserliche Verordnung vom 9. Nov. 
1900 $ 2 bestimmt hat, daß den Eingeborenen die Angehörigen fremder 
farbiger Stämme gleichgestellt werden, daß jedoch Japaner nicht als 
Angehörige farbiger Stämme gelten. Infolge dessen ist die Unter- 
scheidung von einheimischen und fremden Eingeborenen ohne prak- 
tische Bedeutung; Eingeborene sind alle Farbige, welchesich 
im Schutzgebiet aufhalten, gleichviel zu welchem Stamm sie 
gehören und wo sie geboren sind?). Die im Schutzgebiet von Kiautschou 
1) Hauschild S. 47 ff.; G.MeyerS. 113; Köbner S. 1096. 
2) Für das ostafrikanische Schutzgebiet hat die kaiserl. Verordnung vom 
24. Okt. 1903 eine „Landesangehörigkeit“ geschaffen, welche Nichteingeborenen, die 
sich im Schutzgebiet niedergelassen haben, auf ihren Antrag und gegen Zahlung von 
20 Rupinen vom Gouverneur verliehen werden kann. Daaber durch diese Verleihung 
die Anwendung der für Reichsangehörige oder für Weiße geltenden Gesetze nicht 
begründet wird, sondern der Gouverneur in jedem einzelnen Falle zu bestimmen hat,
	        
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