Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

8 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 297 
Schutzgebietsbehörden kein unmittelbares (gesetzliches) Verordnungs- 
recht !). 
VII. Die Verwaltungsbehörden?). 
Außer dem Kaiser, dem Reichskanzler und dem Reichskolonial- 
amt, deren Befugnisse hinsichtlich der Verwaltung der Schutzgebiete 
einer Darstellung hier nicht mehr bedarf, besteht in den Schutzgebieten 
ein Behördensystem, welches zwar hinsichtlich der einzelnen Kolonien 
gewisse Besonderheiten hat, in den wesentlichen Grundzügen aber in 
allen gleich ist. 
1. An der Spitze jedes Schutzgebiets steht ein Gouverneur); 
ihm sind alle Zivilbehörden des Schutzgebietes und in den afrikani- 
schen Schutzgebieten auch die Schutztruppen untergeordnet. Er hat 
die Leitung der gesamten Schutzgebietsverwaltung und insbesondere 
das ihm delegierte Verordnungsrecht; er ist aber seinerseits der Ober- 
leitung und der Dienstgewalt des Kolonialamtes untergeordnet und ins- 
besondere hinsichtlich des Erlasses und der Wiederaufhebung der Ver- 
ordnungen an die ihm erteilten dienstlichen Befehle gebunden. Er hat 
den ihm untergeordneten Schutzgebietsbeamten gegenüber die Befugnisse 
einer »höheren« Reichsbehörde auszuüben und kann gegen sie Diszi- 
plinargeldstrafen bis zum höchsten zulässigen Betrage verhängen‘). Er 
kann jederzeit durch Verfügung des Kaisers einstweilig in den Ruhe- 
stand versetzt werden’). 
Durch Verordnung des Reichskanzlers vom 14. Dezember 1903 sind 
für die Schutzgebiete in Afrika und in Neu-Guinea und Samoa G ou- 
vernementsräte errichtet worden, welche dem Gouverneur als 
Beiräte zur Seite stehen °). Sie bestehen aus dem Gouverneur oder 
seinem Stellvertreter, Beamten, welche vom Gouverneur berufen werden 
und von mindestens drei Weißen, welche im Schutzgebiet ihren Wohn- 
sitz haben, aber nicht zu den Beamten gehören. Daß sie reichsange- 
hörig sind, ist nicht erforderlich. Vor ihrer Berufung soll der Gouver- 
neur Berufskreise gutachtlich hören, ohne aber an das Gutachten der- 
selben gebunden zu sein; sie werden auf mindestens ein Jahr ernannt’). 
reiche Verordnungen von sehr verschiedenem Inhalt erlassen worden. Vgl. die ein- 
gehenden Angaben von Backhaus S.49ff. Vgl. ferner Kennel, Kolonialgouver- 
neure (1908), S. 49 ff. Für Kamerun die Verf. des Reichskanzlers vom 16. März 1909 
(Kolonialbl. S. 361). 
1) Die Verordnungen für die afrikanischen und Südsee-Schutzgebiete müssen im 
deutschen Kolonialblatt verkündet werden. Verordn. des Reichskanzlers vom 24. Dez. 
1909 (Kolonialblatt 1910, S. 1); ihre Rechtsgültigkeit ist davon abhängig. 
2) vv. Hoffmann, Verwaltungs- und Gerichtsverf. Leipzig 1908. 
3) Kennel, Kolonialgouverneure 1908. Dem Gouverneur stehen Räte zur Seite, 
welche den Titel „Erste Referenten“ und „Referenten“ führen. Ueber den Rang der 
Gouverneure vgl. den Allerh. Erlaß vom 7. Juni 1909 (Kolonialblatt S. 665). 
4) Kolonialbeamtenges. $ 1; 40. 5) Daselbst 8 12 a. E. 
6) Eingehend darüber v. HoffmannS. 24 ff; KennelS. 62 ff. 
7) Die Mitglieder verwalten ihr Amt als unbesoldetes Ehrenamt; sie sind keine
	        
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