Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

$ 70. Die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete. 299 
amten das Verordnungsrecht innerhalb der im 8 15 Abs. 1 und 2 ge- 
zogenen Grenzen übertragen. Im einzelnen bestehen hinsichtlich der 
Organisation der lokalen Verwaltungsbehörden zwischen den Schutz- 
gebieten große Verschiedenheiten !). 
3. Den Gouverneuren sind ferner untergeordnet die Beamten der 
Zoll- und Steuerverwaltung, sowie die in den Schutzgebieten angestell- 
ten technischen Beamten für Forstwesen, Bergwesen, Bauwesen, Schul- 
wesen usw. Auch die richterlichen Beamten sind in ihrem Dienst- 
verhältnis dem Gouverneur unterstellt ?2). Dagegen gehören die in den 
Schutzgebieten verwendeten Post- und Telegraphenbeamten nicht zu 
den Landesbeamten und die Gouverneure sind nicht an die Stelle 
der Reichsbehörden getreten. 
4. Anfänge einer Gemeindeverfassung sind durch die kai- 
serliche Verordnung vom 3. Juli 1899 geschaffen worden. Durch dieselbe 
ist der Reichskanzler ermächtigt worden, Wohnplätze in den Schutzge- 
bieten zu kommunalen Verbänden zu vereinigen, denen die Rechts- 
fähigkeit juristischer Personen zukommt. Die näheren Bestimmungen 
über ihre Organisation, Erwerb und Verlust der Zugehörigkeit, Rechte 
und Pflichten der Mitglieder, Vertretung und Rechnungslegung hat 
der Reichskanzler zu erlassen. Solche Kommunalverbände waren er- 
richtet worden in Ostafrika; durch die Verordnung des Reichskanzlers 
v. 17. Sept. 1906 (Kolonialbl. S. 669) über ihre finanziellen Obliegen- 
heiten wurde zugleich ihre Zuständigkeit bestimmt. Durch die 
Verordnung des Reichskanzlers v. 31. März 1909 (Kolonialbl. S. 425) sind 
aber diese Verbände aufgehoben worden mit Ausnahme der »Stadt- 
gemeinden« Daressalam und Tanga, für welche der Reichskanzler am 
18. Juli 1910 eine Städteordnung erlassen hat°). Ferner in Südwest- 
afrika; die Gemeindeordnung für dieselben hat der Reichskanzler er- 
lassen durch Verordn. v. 28. Januar 1909 (Kolonialbl. S. 141 ff.) *). 
IX. Die Gerichtsverfassung?). 
Aus den oben S. 280, 289 dargelegten Gründen ist sie verschieden 
für die Gerichtsbarkeit über Weiße und über Farbige. 
1) v. Hoffmann S. 49 ff. stellt für jedes einzelne Schutzgebiet die Behörden- 
organisation sehr ausführlich dar. In Kiautschou finden die von der Marine gel- 
tenden Regeln sinngemäße Anwendung; die Verwaltung ist demgemäß in militäri- 
scher Weise organisiert. Verordn. vom 27. April 1898 (Marine-Verordn.-Bl. S. 151 ff.) 
und vom 5. Juli 1898 (daselbst S. 214). 
2) Eine Uebersicht über die zur Zeit in den Schutzgebieten vorhandenen Amts- 
stellungen geben die Besoldungsordnungen zum Kolonialbeamtengesetz. 
3) Kolonialblatt 1910, S. 679 ff. 
4) Zu erwähnen sind außerdem in Südwestafrika die Bastardgemeinde von Re- 
hoboth; in Neuguinea die Dorfschafts- oder Landschaftsverbände (v. Hoffmann S. 96); 
die Dorfschaften in Samoa (v. Hoffmann S. 106); die chinesischen Gemeinschaften in 
Kiautschou (v. Hoffmann S. 135) und die den Häuptlingen eingeräumten Befugnisse. 
5) Köbner, Die Organisation der kolonialen Rechtspflege. Berlin 1903. Der- 
selbe in der Enzyklopädie S. 1111fg.; Seelbach, Rechtspflege in den Kolonien.
	        
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