Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

206 & 78. Die Gewerbepolizei. 
Gegenstand der staatlichen Geschäftsführung oder Verwaltung; der Staat 
ist vielmehr im allgemeinen darauf beschränkt, durch Normierung des 
Strafrechts, Privatrechts und Prozeßrechts die rechtliche Ordnung her- 
zustellen, innerhalb deren sich die Handlungsfreiheit der Einzelpersonen 
in ihrem Gewerbebetriebe entfaltet und verwirklicht. Dem Gedeihen 
und Blühen der Gewerbe kann der Staat zwar nicht teilnahmlos und 
gleichgültig gegenüberstehen, aber er kann dasselbe nicht unmittelbar 
fördern, indem er die Geschäftstätigkeit der Einzelpersonen leitet und 
regelt, sondern nur indirekt, indem die Bedürfnisse der Gewerbe für 
den Staat schwerwiegende Motive bei der Normierung der Rechts- 
ordnung, bei dem Abschluß von Staatsverträgen, bei der Regelung 
des Steuersystems usw. bilden, und indem der Staat Anstalten errich- 
tet und erhält, welche die Gewerbetätigkeit der einzelnen erleichtern 
und fördern. Da die Wohlfahrtspflege des Volkes ein wesentlicher 
Staatszweck ist, so bildet die Unterstützung und Förderung der Ge- 
werbe für den Staat bei Handhabung seiner Hoheitsrechte und bei 
Entfaltung seiner Verwaltungstätigkeit ein von selbst gegebenes Ziel. 
Dieses allgemeine Prinzip erleidet nun aber erhebliche Ausnahmen, 
indem der Staat den Betrieb gewisser Gewerbe an erschwerende Be- 
dingungen knüpft oder einschränkt und demgemäß eine Kontrolle 
über die Befolgung dieser einschränkenden Vorschriften führen muß. 
Die Motive für diese Beschränkungen sind sehr verschiedener Art; sie 
liegen teils in der Gefährlichkeit gewisser Gewerbe für die Sicherheit 
der Personen und des Eigentums oder für die Sittlichkeit, teils in den 
Bedürfnissen des allgemeinen Verkehrs, teils in der Rücksicht auf die 
finanziellen, militärischen und politischen Bedürfnisse des Staates oder 
auf der eigennützigen Tendenz mächtiger Parteien. Aber auch die 
Rücksicht auf die Entwicklung der Gewerbetätigkeit selbst kann es ge- 
boten erscheinen lassen, einzelnen Gewerbetreibenden einen be- 
vaten Versicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901 (Reichsgesetzbl. S. 139); das Kin- 
derschutzgesetz vom 30. März 1903 (Reichsgesetzbl. S. 113); das Stellenvermittlergesetz 
vom 2. Juni 1910 (Reichsgesetzbl. S. 860) und das Hausarbeitsgesetz vom 20. Dezem- 
ber 1911 (Reichsgesetzbl. S. 976). Dazu kommen überaus zahlreiche Gesetze, welche 
einzelne in das Gewerbewesen eingreifende Vorschriften enthalten. 
Literatur. Die sehr zahlreichen Bearbeitungen der Gewerbeordnung veralten 
infolge der unablässigen Novellengesetzgebung überaus schnell. Da die Mehrzahl 
aller Bearbeitungen die Form des Kommentars haben, so sind diese zum Teil sehr 
umfangreichen Werke durch die neue Redaktion von 1900 in einzelnen Abschnitten 
veraltet und unvollständig geworden. Der gründlichste und in jeder Hinsicht vor- 
züglichste Kommentar zur Gewerbeordnung ist vonR.v. Landmann6. Aufl., 2 Bde., 
München 1911—1912. v. Rohrscheidt, Gewerbeordnung für das Deutsche Reich, 
2. Aufl., 2 Bde., Berlin 1912. Neukamp 10. Aufl. 1912 (für das Reich) F. Hoff- 
mann 12. Aufl. Berlin 1911 (für Preußen). Reger 4. Aufl, herausgegeben von 
Stössel 1905ff. (für Bayern). Brenner 2 Bde., Stuttgart 1907 (für Württemberg). 
Reiß 1905 (für Baden. Nelken 2 Bde. 1909—10 (für Els.-Lothr.), Für die theo- 
retischen Fragen ist zu beachten Kulisch, System des österreichischen Gewerbe- 
rechts, Bd. 1, Innsbruck 19065. Meyer-Dochow S$ 148ff.
	        
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