Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Dritter Band. (3)

480 & 91. Der Gerichtsdienst. 
durch den freien, durch einen gutachtlichen Vorschlag gelenkten Ent- 
schluß des Landesherrn. 
Dementsprechend hat das Reichsgesetz auch keine Verpflichtung 
zur Uebernahme des Amtes eines Handelsrichters sanktioniert und die 
Weigerung mit keiner Strafe bedroht. Es fehlt zwar andererseits an 
einer ausdrücklichen Bestimmung, daß das Amt abgelehnt werden kann, 
und es sind daher die Einzelstaaten allerdings formell nicht gehindert, 
im Wege der Landesgesetzgebung die Annahme der Ernennung für 
obligatorisch zu erklären !); aber die ganze rechtliche Gestaltung, welche 
diese Institution im Gerichtsverfassungsgesetz erhalten hat, deutet dar- 
auf hin, daß das Amt eines Handelsrichters niemandem wider seinen 
Willen aufgedrungen werden soll?). Es ergibt sich dies schon daraus, 
daß das Reichsgesetz zwar die Fähigkeit zur Bekleidung des Amtes 
geregelt, aber nicht die zur Ablehnung des Amts berechtigenden Gründe 
festgestellt hat, daß ferner der Dienst der Handelsrichter nicht auf die 
Teilnahme an einigen Sitzungen beschränkt ist, sondern sich auf einen 
Zeitraum von längerer Dauer erstreckt, und daß endlich die Handels- 
richter in bezug auf ihre Rechte und Pflichten den richterlichen Be- 
amten gleichgestellt werden. 
Die Regelung der Dienstverhältnisse der Handelsrichter ist im all- 
gemeinen den Einzelstaaten überlassen; das Reichsgesetz hat sich 
darauf beschränkt, einige Normativbestimmungen aufzustellen, an welche 
die Einzelstaaten gebunden sind. Auch hierin zeigt sich die staatsrecht- 
liche Gleichartigkeit des Dienstverhältnisses der Handelsrichter und der 
berufsmäßigen richterlichen Beamten und der Gegensatz zu der ge- 
setzlichen Dienstpflicht der Schöffen, Geschworenen und Beisitzer. 
2. Aus diesen Erörterungen ergibt sich, daß die Handelsrichter 
Beamte sind; ihre Dienstpflicht beruht auf einer von ihnen ange- 
nommenen Anstellung, einem öÖffentlich-rechtlichen Dienstvertrage. 
Der oben Bd. I, 8 44 entwickelte Begriff des »Beamten« paßt voll- 
kommen auf den Handelsrichter. Dem entspricht es, daß das Reichs- 
gesetz ihnen ausdrücklich »während der Dauer ihres Amtes in Be- 
ziehung auf dasselbe alle Rechte und Pflichten richterlicher Beamten« 
zuschreibt°). Sie haben daher die Verpflichtung zur Wahrnehmung 
1) Es wird dies auch in den Motiven zum Gerichtsverfassungsgesetz S. 134 
(Hahn S. 125) hervorgehoben. Gebrauch davon haben nur Bremen (Ausführungs- 
gesetz $ 87) und Hamburg (Ausführungsgesetz $ 77) gemacht. 
2) Dies gilt tatsächlich auch in Bremen und Hamburg; wer nicht Handels- 
richter werden will, wird auch nicht dazu ernannt. Diese Auffassung findet auch 
eine Bestätigung in den Motiven S. 129 (Hahn S. 121), woselbst es heißt: „Auch 
ein Ersatz der dem Handelsrichter für die etwaigen Reisen zum Gerichtsort erwach- 
senden Kosten kann ihm nicht zugesichert werden. Der außerhalb des Gerichtsorts 
wohnhafte Kaufmann, der eine Ernennung als Handelsrichter an- 
nimmt,läßtsich dadurch gefallen, daß der Staat während seiner Amts- 
periode auf seine Dienste am Gerichtsort rechnen kann.“ 
3) Gerichtsverfassungsgesetz $ 116.
	        
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