Anhang. Die neuere deutsche Literatur über das Budgetrecht. 597
und eine wirkliche Gleichberechtigung von Reichstag und Bundesrat
gewonnen !).
Hänel dagegen will nur eine formale Gleichberechtigung, nimmt
in Wirklichkeit aber die dezisive Entscheidung für den Reichstag
allein in Anspruch. Er spricht es selbst S. 306 unumwunden als die
Konsequenz seiner Auffassung aus, daß »der Reichstag trotz der for-
malen Gleichberechtigung eine einseitige Verstärkung, den über-
wiegenden Einfluß auf die Finanzverwaltung gewinne«. Er
sieht darin ein Gegengewicht gegen die überragenden Befugnisse der
vollziehenden Gewalt, die ja einseitig über Krieg und Frieden ent-
scheiden könne (sic).
Immerhin würden die Zugeständnisse Hänels über die rechtliche
Gebundenheit des Reichstags bei der Amendierung des Budgets von
Wert sein, wenn er sie nicht in den folgenden Ausführungen über die
Bedeutung und Wirkungen des Budgetgesetzes wieder vollkommen
zurücknehmen würde. Hinsichtlich der Einnahmen kann er nicht
umhin, einzuräumen, daß, abgesehen von den Matrikularbeiträgen und
der Veräußerung von Reichseigentum, das Reichsrecht keine Einnahme-
quellen kennt, die nicht auf dauernden Gesetzen beruhen. Aber er
stellt einen anderen »Rechtssatz« auf, durch welchen er den Mangel
periodischer Steuerbewilligungen im preußisch-deutschen Finanzrecht
glaubt paralysieren zu können. Die Relation, die in jedem Wirtschafts-
plan zwischen Einnahmen und Ausgaben besteht, verwendet er näm-
lich zur Aufstellung der Behauptung, daß die rechtliche Funktion des
Budgetgesetzes in der »Appropriation der in den Etat eingestellten
Einnahmen an den Jalıresdienst der Finanzverwaltung« bestehe. »Erst
durch das Budgetgesetz« — sagt er S. 317 — »empfängt die Finanz-
verwaltung das Recht der Verwendung, der Verausgabung, der Ver-
fügung über die etatsmäßigen Einnahmen, aber auch die Pflicht ihrer
Bereitstellung für die Verwendungszwecke.« Das heißt mit anderen
Worten: Die nach Maßgabe der Gesetze zu erhebenden Einnahmen
stehen zur Verfügung der Volksvertretung. Der König von Preußen
hat die Pflicht und Schuldigkeit, die Einnahmen zu erheben und sie
dem Abgeordnetenhause zu Füßen zu legen; und ebenso haben der
Kaiser im Bereich der unmittelbaren Reichsverwaltung und die Bun-
desfürsten im Bereich der einzelstaatlichen Selbstverwaltung die Pflicht
und Schuldigkeit, die für Rechnung des Reiches zu erhebenden Ein-
nahmen dem Reichstag bereit zu stellen und seine Befehle darüber
zu gewärtigen. Die Einnahmen bilden, sofern sie nicht etwa ausnahms-
weise durch ausdrückliche Gesetzesanordnung zur Bestreitung einzelner
spezieller Bedürfnisse bestimmt sind, in ihrer Gesamtheit einen Dis-
1) Daß diese Regel tatsächlich befolgt wird, kann wohl kaum bestritten werden.
Alle Etatsentwürfe, auch diejenigen der Spezialetats, enthalten die Angabe des Plus
und Minus gegen den zuletzt festgestellten Etat und der Gründe für diese Ab-
weichungen.