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Aber trotzdem kann man nicht umhin, die Stellung
des Kaisers bezüglich der Gesetzgebung nach der
Verfassung von 1849 als eine staatsrechtlich höhere
zu bezeichnen als die des Kaisers der Verfassung von
1871. Denn der Kaiser unseres neuen Deutschen
Reiches ist, wenn er auch als König von Preussen
zweifellos einen bedeutenden Einfluss auf die Gesetz-
gebung des Reiches hat?®), als Kaiser dem Gesetzes-
willen der gesetzgebenden Faktoren Bundesrat und
Reichstag unterworfen, während der Kaiser der Frank-
furter Verfassung in seiner Eigenschaft als solcher
wenigstens eine zeitlang, ohne die Verfassung zu ver-
letzen, Widerstand leisten und den Versuch machen
konnte, den Reichstag zu überzeugen oder zu überreden.
Anderseits ist freilich wohl zu beachten, dass nach
der geltenden Reichsverlassung der Einfluss des Kaisers
auf die Gesetzgebung, wenn man von seiner Eigen-
schaft als Kaiser absieht, tatsächlich und auch recht-
lich viel grösser ist als der des Kaisers von 1849,
Denn das Votum des Kaisers hat dort im Bundesrat
vermöge der preussischen Stimmenzahl schon für ge-
wöhnlich eine überragende Bedeutung und die Art. 5
Abs. 2,37 und 78 der Verfassung geben dem Könige
von Preussen gerade in besonders wichtigen Fragen —
wo nach der Verfassung von 1849 seine Abhängigkeit
vom Willen der Volksvertretung besonders schwer
empfunden werden müsste — sogar ein absolutes
Veto. Demgegenüber könnte nach der Verfassung
von 1849 der Kaiser unter Umständen nicht nur nach
$ 196, Abs. 3 (siehe S. 30) verfassungsreChtlich, sondern
23) Bis jetzt soll erst ein Gesetz vom Kaiser publiziert
worden sein, gegen dessen Sanktionierung der König von
Preussen im Bundesrat gestimmt hatte, das Gesetz über den
Sitz des Reichsgerichts vom 11. April 1877.