Full text: Das Kaisertum in den Verfassungen des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 und vom 16. April 1871.

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ein derartiges dem Kaiser im Wege der Gesetzgebung 
delegiertes Verordnungsrecht ebenfalls sehr wohl mög- 
lich. Aber darüber hinaus ist, wie bereits gesagt, der 
Kaiser hier auch Träger eines selbständigen Ver- 
ordnungsrechts, und zwar im ganzen Umfange der 
Reichskompetenz, soweit nicht nach $ 102 der Ver- 
fassung ein Reichstagsbeschluss notwendig ist. Der 
Kaiser der Frankfurter Verfassung nimmt also auf 
dem Gebiete des Verordnungsrechts, wenn man von der 
Bestimmung des $ 196, Abs. 3 absieht, dieselbe Rechts- 
stellung ein wie nach preussischem Staatsrecht der 
König und im neuen Deutschen Reiche der Bundesrat. 
Das kaiserliche Verordnungsrecht der Verfassung von 
1849 steht mithin seinem Rechtsgrunde nach bedeu- 
tend höher als das der geltenden Reichsverfassung. 
Ferner überragt nach dem Gesagten ausserdem der 
Umfang der kaiserlichen Verordnungsbefugnis aufGrund 
der Verfassung von 1849 bedeutend die Verordnungs- 
gewalt des Kaisers im neuen Deutschen Reiche. — Über- 
einstimmend bedarf nach den beiden Verfassungen jede 
kaiserliche Verordnung der ministeriellen Gegenzeich- 
nung: 874 und Art. 17, Satz 2. — Ein kaiserliches Not- 
verordnungsrecht ist beiden Verfassungen unbekannt. 
dann ausgeschlossen, wenn ein Gesetz es ausdrücklich bestimmte. 
Ein delegiertes Verordnungsrecht ist allerdings mit den ent- 
sprechenden Pflichten verbunden. Aber weshalb der Kaiser, 
der doch naturgemäss fast stets der grösseren Sachkenntnis 
untergeordneter Organe die Feststellung der Verordnungsvor- 
schriften im einzelnen überlassen muss, nicht auch diesen Or- 
ganen seines Willens die förmliche Ausübung des Verordnungs- 
rechts sollte übertragen können, ist m. E. nicht einzusehen. An- 
ders insbesondere Zorn a.a.0. S. 491.
	        
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