Full text: Das Kaisertum in den Verfassungen des Deutschen Reiches vom 28. März 1849 und vom 16. April 1871.

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des Kaisers eine sehr beschränkte, was sich daraus er- 
klärt, dass beide Verfassungen bezüglich dieser Materie 
den Einzelstaaten fast alles überlassen. 
Zwar zählt die Frankfurter Verfassung unter 
den Kompetenzen der Reichsgewalt in $ 52 auch aus- 
drücklich die „Gerichtsbarkeit des Reichs“ auf und 
setzte zweifellos auch die Errichtung eines Reichs- 
Justizministeriums voraus. Und das neue Deutsche 
Reich hat nicht nur in dem Reichsjustizamt eine be- 
sondere Zentralstelle für die äussere Justizverwaltung, 
sondern im Laufe der Zeit auch eine Reihe von Be- 
hörden geschaffen, die „im Namen des Reichs“ Recht 
sprechen. Der Kaiser hat gegenüber dieser Recht- 
sprechung im Reiche nach $ 81 der Frankfurter Ver- 
fassung und nach den Bestimmungen einer Anzahl 
von Gesetzen des neuen Deutschen Reichs (vgl. nament- 
lich $ 484 der St.-P.-O., $ 118 des Reichbeanitengesetzes, 
$8 424 ff. der Militärstrafgerichtsordnung und $ 72 des 
neuen Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit) das 
Begnadigungsrecht. Ein Abolitionsrecht hat er dagegen 
nach geltendem Rechte überhaupt nicht und nach $ 81, 
Absatz 1, Satz 2 der Frankfurter Verfassung nur, wenn 
er im einzelnen Falle die Zustimmung des Reichstags 
erlangt. Weiterhin sind noch Beziehungen des Kaisers 
zu der Rechtspflege des neuen Deutschen Reiches in- 
sofern vorhanden, als ihm durch die Gesetzgebung 
des neuen Deutschen Reichs in weitgehendem Masse 
das Recht zur Ernennung der Mitglieder der richter- 
lichen Behörden des Reichs übertragen ist, freilich 
allenthalben nur so, dass auch der Bundesrat hierbe; 
mitwirkt. In der nach $ 128 der Verfassung von 1849 
vorgesehenen Reichsgerichtsordnung sollte ebenfalls 
ein gewisser Einfluss des Kaisers auf die Besetzung 
des Reichsgerichts gesetzlich festgestellt werden.
	        
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