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des Kaisers eine sehr beschränkte, was sich daraus er-
klärt, dass beide Verfassungen bezüglich dieser Materie
den Einzelstaaten fast alles überlassen.
Zwar zählt die Frankfurter Verfassung unter
den Kompetenzen der Reichsgewalt in $ 52 auch aus-
drücklich die „Gerichtsbarkeit des Reichs“ auf und
setzte zweifellos auch die Errichtung eines Reichs-
Justizministeriums voraus. Und das neue Deutsche
Reich hat nicht nur in dem Reichsjustizamt eine be-
sondere Zentralstelle für die äussere Justizverwaltung,
sondern im Laufe der Zeit auch eine Reihe von Be-
hörden geschaffen, die „im Namen des Reichs“ Recht
sprechen. Der Kaiser hat gegenüber dieser Recht-
sprechung im Reiche nach $ 81 der Frankfurter Ver-
fassung und nach den Bestimmungen einer Anzahl
von Gesetzen des neuen Deutschen Reichs (vgl. nament-
lich $ 484 der St.-P.-O., $ 118 des Reichbeanitengesetzes,
$8 424 ff. der Militärstrafgerichtsordnung und $ 72 des
neuen Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit) das
Begnadigungsrecht. Ein Abolitionsrecht hat er dagegen
nach geltendem Rechte überhaupt nicht und nach $ 81,
Absatz 1, Satz 2 der Frankfurter Verfassung nur, wenn
er im einzelnen Falle die Zustimmung des Reichstags
erlangt. Weiterhin sind noch Beziehungen des Kaisers
zu der Rechtspflege des neuen Deutschen Reiches in-
sofern vorhanden, als ihm durch die Gesetzgebung
des neuen Deutschen Reichs in weitgehendem Masse
das Recht zur Ernennung der Mitglieder der richter-
lichen Behörden des Reichs übertragen ist, freilich
allenthalben nur so, dass auch der Bundesrat hierbe;
mitwirkt. In der nach $ 128 der Verfassung von 1849
vorgesehenen Reichsgerichtsordnung sollte ebenfalls
ein gewisser Einfluss des Kaisers auf die Besetzung
des Reichsgerichts gesetzlich festgestellt werden.