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eine möglichst straff organisierte Militärgewalt des
Reichs ein neuer deutscher Staat nicht aufzurichten
war. Allen gegenteiligen Bestrebungen zum Trotz
hat die Versamnilung der Paulskirche mit Recht in
dieser Beziehung nicht im geringsten nachgegeben,
sondern an einer absoluten Machtfülle des Kaisers
auf militärischem Gebiete festgehalten. Ja, man kann
sagen, so streng wie die Verfassung von 1849 hat den
unbeschränkten militärischen Oberbefehl des Kaisers
die geltende Reichsverfassung nicht einmal durch-
geführt. Denn nach $ 83 der ersteren Verfassung
hat der Kaiser ebenso wie nach Artikel 63 der gelten-
den Verfassung „die Verfügung über die bewaffnete
Macht“, so dass nach beiden Verfassungen gleicher-
weise die gesamte Landmacht des Reiches unter dem
Oberbefehl des Kaisers steht. Aber in der gelten-
den Reichsverfassung nimmt wenigstens für Friedens-
zeiten ein Einzelstaat (Baiern) eine bedeutsame Sonder-
stellung ein: Schlussbestimmungen zum XI. und XII. Ab-
schnitt der Verfassung’), während in der Verfassung
der Paulskirche nichts dergleichen zugestanden wird.
Anderseits bildet freilich das deutäche Heer der Frank-
furter Verfassung unter dem kaiserlichen Oberbefehl
nicht eine Einheit. Denn nach $ 12, Abs. 1 dieser Ver-
fassung besteht das Reichsheer „aus der gesamten. ....
Landmacht der einzelnen deustchen Staaten“.
Dagegen bildet nach Art. 63, Abs. 1 der geltenden
Reichsverfassung „die gesamte Landmacht des Reichs
ein einheitliches Heer“. Der Unterschied ist also
unverkennbar. Weiterhin sind im neuen Deutschen
Reiche kontingentsherrliche einzelstaatliche Rechte er-
halten geblieben, die äusserlich den Rechten nicht
35) Vergl. die diesbezüglichen Ausführungen in den Lehr-
büchern des deutschen Staatsrechts, z.B. Zorn a.2.0. S. 207 £f.