477 (Nr. 2—4). 6. Abschnitt. Handlungsgehilfen und Handlungslehrlinge. 287
wobei jedoch ein Maximum von fünf Jahren anzunehmen ist (vgl. § 624 des B.G. B.).
Eine besondere Zuständigkeit der Lokalbehörden soll nicht begründet werden (Puchelt-
Förtsch z. Art. 61 Nr. 9a). Ortsgebrauch ist faktischer Gebrauch des Ortes, nicht
örtliches Gewohnheitsrecht. Fehlt es an beiden, so hat der Lehrherr die Lehrzeit
nach billigem Ermessen zu bestimmen (B.G.B. §F§ 316, 315, anders Gordan S. 37.
Verbleibt der Lehrling nach Ablauf der Lehrzeit beim Lehrherrn, so ist er Hand-
lungsgehilfe (TDüringer-Hachenburg Anm. 4).
b) Durch freien einseitigen Rücktritt (Kündigung) jedes Teiles während Nr. 3.
der Probezeit. Diese nach dem Vorbild der G.O. 5 127b eingeführte Bestimmung
war dem alten Recht unbekannt. Die Probezeit beträgt mindestens einen Monat
vom Beginn der Lehrzeit ab, gekürzt unter einen Monat oder beseitigt werden
kann sie nicht. Die Bestimmung ist als für beide Tejle (nach Gordan nur zu-
gunsten des Lehrlings) zwingendes Recht anzusehen. Uber die Berechnung B.G. B.
* 188 Abs. 2, 3, 5 187 Abs. 1. Sie kann aber durch Vereinbarung sei es ursprüng-
liche, sei es nachfolgende, auf drei Monate erhöht werden. Die Erhöhung darüber
hinaus ist unstatthaft. Die ursprüngliche Vereinbarung einer längeren Probefrist
macht im Sweifel den ganzen Vertrag nichtig, nachträgliche Verlängerung über diese
Frist hinaus oder Vereinbarung einer neuen Probezeit ist ohne Wirkung. Anders
Staub-Bondi Anm. 2, die für den ersteren Fall einen Monat und Gordan
S. 39, der in allen solchen Fällen drei Monate als Probezeit annimmt. Ritter
Anm. 2 hält Vereinbarung einer neuen Probezeit für zulässig. — Eine Kündigungs-
frist braucht innerhalb der Probezeit nicht innegehalten zu werden. Mit der Kün-
digung ist das Verhältnis gelöst. Das aichterliche Erkenntnis hat nur deklarative
Kraft. eun Entschädigungsanspruch besteht an sich für keinen Teil, doch kann ein
solcher vertragsmäßig eingeräumt sein. Von dem etwaigen Lehrgeld ist im Zweifel
ein verhältnismäßiger Anteil an den Lehrherrn zu entrichten. Nach Ablauf der
Probezeit ist im Gegensatz zum Gehilfenvertrag freie Kündigung nicht zugelassen.
c) Durch Kündigung jeden Teiles wegen wichtigen Grundes. Das Gesetz Nr. 4.
verweist hier ausdrücklich auf die Vorschriften für den Gehilfen und fügt nur
einige Fälle bei, in denen die Besonderheit der durch den Lehrvertrag erzeugten
Verpflichtungen zum Ausdruck kommt. Dementsprechend werden auch die Fälle der
55 71, 72 mit Vorsicht zu handhaben sein, insbesondere werden Nachlässigkeiten und
Unarten des Lehrlings (O.L.G. Hamburg in 3. XXXXII S. 516), oder schlechte
Fassungsgabe des Lehrlings nicht für den Lehrherrn, umgekehrt Nichtgewährung
des kleinen Taschengeldes nicht für den Lehrling einen Aufhebungsgrund bilden.
Andererseits werden einzelne Gründe hier schärfer zu nehmen sein, insbesondere §5 71
Nr. 4 mit Beäug auf unsittliche Zumutungen seitens des Lehrherrn, 5 72 Nr. 2, 4
mit Bezug auf den Lehrling. Ja es kann eine Ehrverletzung durch den gaett en
Vertreter des Lehrlings den Lehrherrn zur Entlassung berechtigen (Jahrb. des
Kaufm. G. Berlin II S. 225). Als praktisch wichtig wird die Vernachlässigung der
dem gehrherrn obliegenden Verpflichtungen in einer die Gesundheit, Sittlichkeit
oder Ausbildung (vgl. Z. XIV S. 342) des Lehrlings gefährdenden Weise hervor.
gehoben; dabei muß es sich um wirkliche Vernachlässigung, nicht bloß die Besorgnis
einer drohenden Vernachlässigung handeln. Andererseits genügt schon Vernach-
lässigung, es bedarf nicht einer Verweigerung (wie § 71 Nr. 3). Der Vernachlässigung
steht gleich Unfähigkeit des Lehrherrn, z. B. infolge von Krankheit. Weitere Fälle:
Dissidien im Hause des Lehrherrn, die es unstatthaft erscheinen lassen, das Kind
dort als Lehrling zu lassen (R.O. H. G. XIII Nr. 39), unsittliches Verhalten des
Lehrherrn überhaupt (Busch XX S. 2 Tod des Lehrherrn ist nach dem Vor—
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gange der G.O. §. 127b Abs. 4 schlechthin für einen wichtigen Grund erklärt
worden,“) wobei die Frist von einem Monat a die scientiae zu berechnen sein
wird. Da bei Handelsgesellschaften Lehrherr die Gesellschaft ist, wird Tod eines
Gesellschafters, Vorstandsmitgliedes u. dgl. nicht als Tod des Lehrherrn, sondern
böchstens als wichtiger Grund zur Kündigung zu gelten haben. Sonstiger völliger
echsel des Geschäftsinhabers kann nicht ohne weiteres, sondern nur unter Um-
ständen, und zwar für beide Teile, Lehrling und Erben des Lehrherrn, einen Auf-
hebungsgrund bilden, nämlich dann, wenn gerade mit Rücksicht auf die Persönlich-
1) Ist die Bestimmung zwingendes Recht? Wohl zu verneinen.