3. Der deutsche Bund und die deutschen Einzelstaaten von 1815—1866 93
(der Steuerverwilligung, 'Iheilnahme an der Gesetzgebung, Mitauf-
sicht über die Verwaltung, Ministeranklage u. s. w. Als »Be-
schützer, erster Repräsentant der deutschen Nation, als kräftigster
Garant der Verfassung und deutscher Freiheit Aegide« sollte ein
gemeinsames Oberhaupt eingesetzt werden, ja es wurde von ihnen
geradezu »die Wiederherstellung der deutschen Kaiserwürde
mit den durch die Zeitverhältnisse erforderlichen Modifikationen«
verlangt. Erst seit dem Februar 1815 dachten auch Oesterreich
und Preussen ernstlich wieder an die Aufnahme des deutschen Ver-
fassungswerkes und beschlossen, bei Wiederbeginn der Verhand-
lungen alle deutschen Staaten zuzuziehen. In Fluss kam die An-
gelegenheit erst durch die aufregende Botschaft von Napoleon’s
Landung in Frankreich. Im Februar hatte der preussische Be-
vollmächtigte W v. Humboldt zwei neue Entwürfe vorgelegt,
von denen der eine die Eintheilung in Kreise mit aufnahm, der
andere sie wegliess; beide Entwürfe hielten als drei unerläss-
liche Hauptpunkte noch fest: eine kraftvolle Kriegsgewalt, ein
Bundesgericht und landständische, durch den Bundesvertrag ge-
sicherte Verfassungen. Endlich im Mai zeigte Fürst Metternich
deu Beginn der Verhandlungen an und legte seinen Gegen-
entwurf vor (Klüber II. 305— 314), welcher die Scheidung
zwischen einer Exekutivbehörde und einer gesetzgebenden Bun-
desversammlung strich, das Bundesgericht in Aussicht stellte,
aber die schützenden Bestimmungen des preussischen Vor-
schlags hinwegliess, die Einführung landständischer Verfassungen
nur dürftig erwähnte, die Grundrechte der Unterthanen sehr ab-
schwächte, dagegen die Rechte der sog. Mediatisirten sehr weit-
läufig abhandelte. So war man denn nach siebenmonatlichen Ver-
handlungen bei dem unvollkommensten, schwachmüthigsten Ent-
wurfe angelangt, welcher in dieser ganzen Zeit aufgetaucht ist.
Auf Grund dieser Metternich'schen Vorlage begannen am 8. Mai
die Verhandlungen zwischen den österreichischen und preussischen
3evollmächtigten, zu denen auch der hannoversche Minister, Graf
Münster!. hinzutrat. Es ist beklagenswerth, dass sonst so einsichts-
volle und patriotische Staatsmänner, wie Iumboldt. Hardenberg
und Münster, ihre eigenen früheren Vorschläge, selbst die Kardinal-
1G. H. Graf zu Münster, Politische Skizzen über die Lage Kuropas
vom Wiener Kongress bis zur Gegenwart '16815—1867). Nebst den Depeschen
des Grafen Ernst Friedrich Herbert zu Münster über den Wiener Kongress.
Leipzig 1867