118 I. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland.
ten, welche seit 1815 in ihrer Verfassungsentwickelung weit hinter
der Zeit, in erstorbenen mittelalterigen Zuständen zurückgeblieben
waren. Aber das Ereigniss der Julirevolution war nur der äussere
Anstoss, nicht das leitende Prinzip dieser staatlichen Umgestaltun-
gen. Nirgends wurden in die Verfassungen der dreissiger Jahre
die in vielen ausländischen Charten an der Spitze stehenden ab-
strakten Grundsätze von der Theilung der Gewalten, der Volkssou-
veränetät aufgenommen; vielmehr wurde auch in diesen Verfassun-
gen das monarchische Prinzip gewahrt, die noch lebendigen aristo-
kratischen und ständischen Verhältnisse berücksichtigt und an die
vorhandenen historischen Bestände in ächt deutscher Weise ange-
knüpft.
In Kurhessen hatte die kopflose Restaurationspolitik ihren
Höhepunkt erreicht. Trotz der in dem Staats- und Hausgesetze
vom 4. März 1817 festgestellten Bestimmung einer ständischen Ver-
tretung war auch unter dem Kurfürsten Wilhelm II. kein Landtag
einberufen, vielmehr die Staatsgewalt im Greiste absoluter Willkür
weiter gehandhabt worden. Als aber die Stürme von 1830 herein-
brachen, bewilligte der Kurfürst am 13. September die Berufung der
Landstände, die in Verbindung mit Abgeordneten der neuerworbe-
nen Gebietstheile im Oktober 1830 zusammentraten. Diesen wurde
von Seiten der Regierung ein Verfassungsentwurf vorgelegt, wel-
cher nach mehreren Modifikationen genehmigt und am 5. Januar
1831 als Verfassungsurkunde feierlich verkündigt wurde). Für
eine erste Kammer war in dem kleinen Lande kein Material vorhan-
den, aber den vorhandenen aristokratischen Elementen wurde in der
Ständeversammlung ein bedeutendes Gewicht eingeräumt. Grund-
gesetzliche Feststellung der Prärogative des Fürsten, wie der bürger-
lichen und politischen Rechte der Unterthanen, Theilnahme der
Volksvertretung an der Gesetzgebung und der Regulirung des
Staatshaushaltes, Steuerbewilligungsrecht, volle Unabhängigkeit
der Rechtspflege, Mitwirkung verantwortlicher Minister bei der Aus-
übung der Regierungsrechte sind die Grundzüge dieser Verfassung,
welche durch die möglichst folgeriechtige Durchführung des Rechts-
Ueber die Entstehungsgeschichte der hessischen Verfassung vergl.
Wippermann, Kurhessen seit den Freiheitskriegen S. 204—266. Der den
Ständen vorgelegte Verfassungsentwurf rührt von dem Generalsecretär des Mi-
nisteriums, Eggena, her; von ständischer Seite hatte der Marburger Staats-
rechtslehrer Prof. Jordan den grössten Einfluss auf die Feststellung der Ver-
fassung.