Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

4. Die Krisis des Jahres 1848. 135 
nemlich Oesterreich, den 5 Königreichen und beiden Hessen. Die 
Mitglieder des Bundesdirektoriums sollten an Instruktionen gebun- 
den, nach einfacher Stimmenmehrheit Beschlüsse fassen, nur 
bei Verfassungsveränderungen sollte noch Stimmeneinhelligkeit 
nothwendig sein. Neben der Bundesregierung sollte eine National- 
versammlung von 300 Mitgliedern stehen (100 Oesterreicher, 100 
Preussen, 100 aus den andern deutschen Staaten). Die Mitglieder 
sollten aus den Ständeversammlungen der einzelnen Staaten her- 
vorgehen und das Recht der Zustimmung zu neuen Bundesgesetzen, 
zur Feststellung der Bundesausgaben und zur Erhebung von Ma- 
trikularbeiträgen haben. Ausserdem wurde ein ständiges Bundes- 
gericht und die Gewähr von Grundrechten verheissen, welche den 
Angehörigen aller deutschen Staaten zustehen sollten. 
Obgleich Oesterreich sich unter gewissen Voraussetzungen mit 
dem Münchener Entwurfe einverstanden erklärte, so blieb derselbe 
doch ohne allen praktischen Erfolg. Oesterreich und seine Verbün- 
deten entschlossen sich daher, die preussischen Unionsbestrebun- 
gen mit andern Waffen zu bekämpfen, indem sie nemlich die alte 
Bundesverfassung wieder in Kraft zu setzen und den Bundestag zu 
rekonstituiren versuchten. 
Durch Cıirculardepesche vom 26. April 1850 berief Oesterreich, 
»kraft seines Bundespräsidialrechtes«, auf den 11. Mai veine ausser- 
ordentliche Plenarversammlung« der Bundesglieder nach Frankfurt 
a. M. Der Fürstenkongress in Berlin beschloss, weder diese Ver- 
sammlung als Bundesversammlung, noch Oesterreichs Präsidial- 
recht anzuerkennen, aber Bevollmächtigte nach Frankfurt zu 
schicken und als Union im Ganzen aufzutreten. Nichtsdestoweniger 
konstituirten sich in Frankfurt elf Regierungen, darunter die däni- 
sche, als »Bundesplenarversammlung«, beriethen in pleno, was 
nach Bundesrecht unmöglich ist, und beschlossen, »aus diesem Ple- 
num den engern Rath hervorgehen zu lassen«!. Am 14. August 
1850 forderte dann Oesterreich zur Beschickung des engern Rathes 
auf. Trotz des preussischen Protestes vom 25. August wurde wirk- 
lich am 2. September ein sog. engerer Rath mit elf Stimmen eröff- 
net. Die sich so nennende Bundesversammlung fasste dann die 
völlig widerrechtlichen Bundesbeschlüsse gegen Schleswig-Holstein 
I Gegen dieses Vorgehen Oesterreichs und seiner Verbündeten schrieb 
H. A. Zachariä eine durchschlagende Schrift: »Die Rechtswidrigkeit der 
versuchten Reaktivirung der im Jahre 1548 aufgehobenen deutschen Bundesver- 
sammlung«. Göttingen 1850.
	        
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