160 II. Geschichtl. Entwickelung des staatl. Rechtszustandes in Deutschland.
den Reichstag. Auf Einladung der preussischen Regierung traten
Bevollmächtigte aller verbündeten Staaten am 15. December 1866
in Berlin zu Konferenzen zusammen, um einen Verfassungsentwurf
zu vereinbaren. Graf Bismarck legte Namens der preussischen Re-
gierung einen Entwurf vor, welcher eine weitere Ausführung der
Grundzüge vom 10. Juni 1866 ist. Die Verhandlungen über diesen
Entwurf waren geheime; über die Diskussion der einzelnen
Artikel sind keine Protokolle veröffentlicht. Dagegen sind die Re-
sultate der Berathungen in der Form von Protokollen festgestellt
und veröffentlicht worden. Es liegen vier solcher Protokolle vor.
Das erste vom 18. Januar 1867 über die »erste förmliche Sitzung«
konstatirt den einstimmigen Beschluss der Bevollmächtigten, dass
(ie Krone Preussen, dem einzuberufenden Reichstage gegenüber,
zur einheitlichen Vertretung der verbündeten Regierungen ermäch-
tigt und zur Ausübung der ın A. 14 und 25 des Entwurfs erwähnten
Rechte (Einberufung, Eröffnung, Vertagung, Schliessung, Auf-
lösung des Reichstages) befugt sein solle. Das zweite Protokoll
betrifft die Sitzung vom 28. Januar 1867; diese war anberaumt wor-
den, »um die vertraulich gepflogenen Berathungen zu einem vorläu-
figen Abschlusse zu bringen«. Zu diesem Zwecke hatten sich die
preussischen Bevollmächtigten der Aufgabe unterzogen, »aus den
von den übrigen Bevollmächtigten formulirten zahlreichen Amende-
ments diejenigen auszuwählen und zu bearbeiten, welche die Mehr-
zahl der geäusserten Wünsche befriedigen dürften, ohne den Prin-
cipien des Entwurfs entgegenzulaufen«. Diese Umarbeitung hatte
sich aber auf den achten Abschnitt vom Postwesenund den elften Ab-
schnitt vom Bundeskriegswesen noch nichterstreckt. Der preussische
Bevollmächtigte erklärte zugleich, »dass die königliche Regierung
sich in Betreff der Abschnitte, auf welche diese Arbeit sich bezieht.
zu feınern Aenderungen nicht verstehen könne«. Das dritte Protokoll
vom 7. Februar 1867 enthält hinsichtlich der Abschnitte über das
Post- und Kriegswesen dieselbe Feststellung, wie das zweite Proto-
koll hinsichtlich der übrigen Theile des Entwurfes, sodass das zweite
und dritte Protokoll zusammen den Entwurf, wie er dem Reichstag
vorgelegt werden sollte, definitiv feststellten. Neben diesen die
Feststellung des Entwurfes enthaltenden Protokollen wurde noch
ein viertes, das sog. Schlussprotokoll, ebenfalls am 7. Februar
aufgenommen, welches Erklärungen einzelner Regierungen ent-
hält. Die meisten betreffen Sonderinteressen derselben von
vorübergehender Bedeutung und sind inzwischen längst erledigt,