Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

Die Gründung des norddeutschen Bundes. 167 
Staaten statt, die Fortdauer des Zoll- und Handelsvereins betreffend 
(Hahn a. a. OÖ. S. 622), welche dann zu dem Zollvertrag 
vom 8. Julı 1867, »Vertrag zwischen dem norddeutschen Bunde, 
Bayern, Württemberg, Baden und Hessen, die Fortdauer des Zoll- 
und Ilandelsvereins betreffend«, führte. Durch diesen wurden die 
bis dahin bestehenden Zollvereinigungsverträge, besonders der Ver- 
trag vom 16. Mai 1865, wieder in Kraft gesetzt, soweit sie bisher 
noch inKraft waren und nicht durch den neuen Vertrag ausser Kraft 
gesetzt wurden. Dem so fortbestehenden Zollvereine wurde aber 
eine ganz neue, der norddeutschen Bundesverfassung nachgebildete 
Organisation gegeben, indem als gemeinschaftliches Organ der Re- 
gierungen ein Bundesrath des Zollvereins, als gemeinschaftliche 
Vertretung der Bevölkerung ein Zollparlament geschaffen wurde. 
Beide wurden gebildet durch den Hinzutritt der süddeutschen Be- 
vollmächtigten zum norddeutschen Bundesrathe, der süddeutschen 
Volksvertreter zum norddeutschen Reichstage. An die Stelle der 
sonst im Zollverein nothwendigen Uebereinstimmung aller Einzel- 
regierungen, beziehungsweise aller einzelnen Landtage, war jetzt die 
Uebereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse dieser beiden Versamm- 
lungen zu einem Zollvereinsgesetze erforderlich. Damit war ein 
Krebsschaden in der Organisation des Zollvereins geheilt. Einem 
nur auf Zeitdauer geschlossenen völkerrechtlichen Vereine war eine 
Verfassung gegeben, welche einem wirklichen Staatswesen entlehnt 
war. Insofern konnte in dieser neuen Organisation des ganz 
Deutschland umfassenden Zollvereins ein Vorspiel des zukünftigen 
deutschen Reiches gefunden werden, in welchem sich das Zoll- 
parlament nurinein»Vollparlament« zu verwandeln brauchte, 
um zum deutschen Reichstage zu werden. Kurz, der norddeutsche 
Bund war seiner ganzen Anlage nach darauf eingerichtet, um sich 
bei passender Gelegenheit zum deutschen Reiche zu erweitern. Dass 
dies so über alles Erwarten bald geschah, war eine Folge des 
glorreichen Krieges, welcher den norddeutschen Bund mit den 
süddeutschen Staaten zu gemeinsamer Abwehr des französischen 
Angriffes vereinigte. Als Frankreich am 19. Juli 1870 unter 
dem frivolsten Vorwande den Krieg an Preussen erklärt hatte, be- 
währten die 1866 geschlossenen Schutz- und Trutzbündnisse ihre 
Kraft, die süddeutschen Fürsten ıhre Bundestreue. Nachdem das 
Blut der norddeutschen und süddeutschen Stämme für die Sache des 
gemeinsamen Vaterlandes in Strömen geflossen war, wurde das nie 
erloschene Gefühl der Zusammengehörigkeit lebhafter denn je 
empfunden. Auf eine Zeit lang verstummten die giftigen Stimmen
	        
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