I Von dem Staatsoberhaupte oder dem Monarchen. 199
Mit Entstehung und weiterer Entwickelung der Landeshoheit
besassen die deutschen Landesherın einen aus verschiedenen Rechts-
titeln: Belehnung, Kauf, Tausch, IHeimfall, Säkularisation u. s. w.
erwachsenen, aber zu einer Einheit verbundenen Komplex von
Landgütern, Forsten, Gefällen, Zinsen und Regalıen, welcher den
Namen »Kammergut« führte. Das Eigenthum an diesem sog. Kam-
mergute stand, nach übereinstimmender Ansicht aller Rechtskun-
digen, der landesherrlichen Familie zu, aber auf demselben ruhte
nach ebenso unbestrittener Ansicht, als öffentliche Last die Verpflich-
tung. aus den Einkünften desselben sowohl die Bedürfnisse der fürst-
lichen Familie und des Hofes, als auch die Kosten der Landesver-
waltung zu bestreiten. Es entsprach dies ganz der patrimonialen
Auffassung des Mittelalters, welcher der Begriff der Staatspersön-
lichkeit und damit auch des Staatsgutes fremd war und welche
den Landesherın wie einen Grundherın betrachtete, der aus seinem
eigenen Beutel die Verwaltungskosten seines Landes zu bestreiten
hatte. Als aber bei dem grössern Aufwande der IIöfe, kostspieligen
Kriegen und Fehden und den gesteigerten Ausgaben der Landes-
regierung die Einkünfte des Kammergutes für diese Zwecke nicht
mehr ausreichten, wendeten sich die Landesherrn an ihre Land-
stäinde um eine Beihilfe, welche anfangs ganz von dem guten
Willen der letztern abhing. Nur subsidiär oder hilfsweise steuerten
die Stände für einzelne Zwecke bei. »Insufficienz des Kammergutes«
war die Voraussetzung jeder Steuerbewilligung. Erst allmälig wurde
durch Vertrag oder Herkommen eine Anzahl von Fällen festge-
stellt, wo die ständische Beihilfe als eine rechtlich nothwendige
galt. Mit Ausbildung des ständischen Steuerwesens entwickelte
sich in den deutschen Territorien eine eigenthümliche Duplicität
des Finanzwesens. Es gab einen landesherrlichen Kammer-
fiskus, in welchen die Einnahmen der Kammergüter flossen, und
einen landschaftlichen Fiskus!, welcher auf den Steuerbe-
trägen beruhte und an dessen Verwaltung die Stände einen wesent-
lichen Antheil hatten. Diese Duplicität des Finanzwesens, mit ihren
mannigfach widerstreitenden Interessen, mit ıhrem Mangel an
Uebersicht, war mit den Anforderungen einer einheitlichen Verwal-
tung nınd eines geordneten Staatshaushaltes unvereinbar, welche
sich überall geltend machten, wo man aus dem mittelalterigen l’a-
ı Dieser Terminus ist dem Sachsen- Weimarischen Staatsrechte entnommen,
der Sache nach kommt aber überall dieselbe Scheidung vor.