I10 1. Das Landesstaatsrecht.
leer gewordene Stelle des bisherigen 'Uhronimhabers einzutreten hat.
Im Staatsrechte bedeutet »succediren« nicht in irgend einer Weise
erben, sondern »einrücken« in den erhabensten staatlichen Beruf,
welcher die höchsten Machtbefugnisse im Staate gewährt, aber auch
die schwersten Pflichten auferlegt. Somit darf auch das Recht des
succedirenden 'Ihronfolgers und der übrigen Anwärter, selbst semer
Zuständigkeit nach, nicht als ein Privatrecht aufgefasst werden. Es
ıst ein eigenes, durch die Geburt erworbenes persönliches Recht,
welches Dritten gegenüber ausschliesslich ıst und nicht willkürlich
entzogen werden kann, aber es existirt nıcht zur vermögensrecht-
lichen Befriedigung des Berechtigten, sondern lediglich um des
Staates willen. Es ıst em ın der verfassungsmässigen Staats-
ordnung begründetes, durchaus öffentliches Recht ohne jede privat-
rechtliche Zuthat. Es erfreut sich aller verfassungsmässigen Garan-
tien, steht aber nicht ausserhalb oder über den Sätzen der Verfas-
sungsurkunde.
Anmerkung.
Diese rein staatsrechtliche Beurtheilung der 'Thronfolge, mit Aus-
schluss aller ganz oder halb privatrechtlichen Anschauungen, ist nicht
nur ein unabweisbares Erforderniss einer wissenschaftlichen Theorie, son-
dern hat auch, wie aus der folgenden Darstellung erhellen wird, ihre
grossen praktischen Konsequenzen. Manche Fragen, welche sonst der
Wissenschaft grosse Schwierigkeiten bereiteten, z. B. nach der Verbind-
lichkeit des Nachfolgers aus den Handlungen seines Vorgängers, nach
der Trennung der Privaterbfolge des Fürsten von der sog. Staatsver-
lassenschaft, nach der Theilbarkeit deutscher Territorien , beantworten
sich von diesem Standpunkte ganz von selbst. Freilich ist die von uns
vertretene Ansicht keineswegs allgemein anerkannt. Am weitesten
in der privatrechtlichen Auffassung der Thronfolge geht Zöpfl (B. I.
6 248), wenn er für praktisches Recht erklärt: »Alle Thronfolge nach
Geblütsrecht, sie mag auf Gesetz, Herkommen, Hausverträgen oder einer
Familienstiftung beruhen, hat im allgemeinen denselben Grundcharakter,
welcher aller deutschen adeligen Stammguts-, Lehen- und Familienfidei-
kommissqualität übereinstimmend zukommt. Die Thronfolge ist Sin-
gularsuccession, wie die deutsche adelige Stammguts-, Lehen- und Fa-
milienfideikommisserbfolge überhaupt ist.« Auch Zachariä, B.I. $ 65,
steht noch unter dem Einflusse der älteren Theorie, wenn er sagt: »Das
Successionsrecht in den souveränen Fürstenhäusern ist insofern doppelter
Natur, als es privatrechtlich ist hinsichtlich seiner Zuständigkeit,
staatsrechtlich vermöge seines besondern Gegenstandes«. Den rein
staatsrechtlichen”Standpunkt vertreten dagegen J. v. Held, in seinem
System des Verfassungsrechtes I. (1857) S. 204. S. 247 ff., und in
seinem Aufsatz »Ueber die geschichtliche Entwickelung des deutschen
Ihronfolgerechtes« in Aegidi’s Zeitschrift B. 1. S. 40—103; besonders