212 1. Das Landesstaatsrecht.
besonderer Successionsnormen, auf die deutschen Territorien ange-
wandt wurden. Mit dem \Vegfalle des lehensherrlichen Obereigen-
thums im Jahre 1806 ist das Lehenssuccessionsrecht keines-
wegs ganz beseitigt. Soweit dies mit dem Wesen einer staatlich
geordneten Erbmonarchie verträglich ist, ist auch heutzutage die
analoge Anwendung lehenrechtlicher Grundsätze auf die Thronfolge
nicht ganz ausgeschlossen !, d.h.immerunter der Voraussetzung, dass
keine andern speciellen Rechtsnormen vorliegen und dass die analog
anzuwendenden lehenrechtlichen Grundsätze dem öffentlich-recht-
lichen Charakter einer Staatssuccession nicht widersprechen.
Da das Wesen der Erbmonarchie darın besteht, dass die Thron-
folge sich immer innerhalb einer dazu berechtigten Familie hält,
so bezeichnen wir im deutsch-erbmonarchischen Staatsrechte auch
nur diejenige Thronfolge als die ordentliche oder regelmässige,
welche nach Geblütsrecht, ex jure sanguinis, innerhalb der be-
stimmten Familie vor sich geht, jede andere erscheint als ausser-
ordentliche oder ausnahmsweise Successionsart.
Bei der ordentlichen 'Thronfolge, welche nach Geblütsrecht vor
sich geht, kommt wieder zweierlei in Betracht:
a) das Successionsrecht, welches allen successionsfähigen
Gliedern des Hauses schon durch ihre Geburt zusteht,
b) die Successionsordnung, wodurch in jedem einzelnen
Falle entschieden wird, wer aus der ganzen Anzahl der successions-
berechtigten Verwandten wirklich auf den erledigten 'Thron be-
rufen wird.
Das Successionsrecht wird von dem entscheidenden Stamm-
vater des Hauses oder der Linie (dem sog. primus acquirens) herge-
leitet, die Successionsordnung richtet sich dagegen immer
nach dem verwandtschaftlichen Verhältnisse, in welchem der Be-
rufene zum letzten Throninhaber (ultimus defunctus) steht (Pütter
primae lineae $ 14).
1 Dies wird sogar in England anerkannt, wo der öffentlich-rechtliche Cha-
rakter seit Jahrhunderten am konsequentesten anerkannt worden ist. Die Suc-
cession in die englische Krone folgt, was die Erbfolgeordnung betrifft, dem ge-
meinen englischen Lehenrechte, nur dass die Untheilbarkeit der Krone’eine Ab-
weichung begründet. K. E. Schmid, Ueber die 'Ihronfolgeordnung in Gross-
britannien 8. 9.