234 I. Das Landesstaatsrecht.
eines gemeinverbindlichen Primogeniturgesetzes, sich wegen ihrer
Ansprüche auseinandersetzen, mögen sie, auf dem Wege der Ver-
ständigung untereinander und mit der Volksvertretung des betreffen-
den Staates, dasjenige Individuum bezeichnen, welchesden erledigten
Thron besteigen soll. Der Staat, als Gemeinwesen, als öffentlich-
rechtliche Persönlichkeit, kann unbedingt verlangen, dass seine
verfassungsmässige Staatseinheit respektirt und nicht durch 'Thei-
lungsansprüche in Frage gestellt werde, denn die Thronfolge ist vor
allem eine Staatssuccession und darf somit die Grundbedingung
einer geordneten Staatsexistenz nicht zerstören.
g 101.
3) Subsidiäre Succession der Kognaten !.
\Wo den Kognaten in älterer oder neuerer Zeit in Deutschland
ein Successionsrecht zugestanden ist, tritt dasselbe erst dann in
Wirksamkeit, wenn die ganze agnatische Descendenz des ersten
Erwerbers ın allen ihren successionsfähigen Zweigen und Gliedern
völlig erloschen ist. Somit hat die deutsche Kognatenfolge immer
nur einen subsidiären Charakter. Ein sog. successio cognatorum
promiscua, wobei zwar die Söhne die Töchter, diese und ihre Nach-
kommen aber alle entfernteren Stammesvettern ausschliessen, wie
sie in Grossbritannien, Spanien und Portugal besteht, ist in Deutsch-
land unbekannt ?.
\Wo aber einmal in einem deutsch-monarchischen Staate die
subsidiäre Thronfolge der Kognaten eingeführt ist, steht auch der
ganzen kognatischen Nachkommenschaft des ersten Erwerbers ein
ı Noser. Familienstaatsr. B. I. S. 839. Desselben, Staatsr. B. XV
S. 459. B. XVI. S. 267. Pütter, primae lineae Cap. VII. $54—57, dessel-
ben Erörterungen und Beispiele Th. I. S. 330. Nr. 7 »Wie nach Abgang des
Mannsstammes der Anfall an weibliche‘ Seitenverwandte zu bestimmen sei’«
Schott, Ueber die Natur der weiblichen Erbfolge in Allodial- Stamm- und
Familiengüter. Tübingen 1809. J. Chr. Majer, Deutsche Erbfolge, sowohl
überhaupt, als insbesondere in Lehen- und Stammgüter, vornemlich der weib-
lichen’ Nachkommen nach Erlöschung des Mannsstammes. Stuttgart 1804.
G. M. de l,udolf, de jure feminarum illustrium. Jenae 1724. (mit vielen Ur-
kunden).
2 K. E. Schmid, Ueber die Thronfolgeordnung in Grossbritannien.
Jena 1535. H. Zöpfl, Die spanische Successionsfrage. Heidelberg 1839.
H. Schulze, Die legitime 'TThronfolge im Königreiche Portugal. (Praxis
des Staats- und Privatrechtes Nr. IV 8. 169). Mit Unrecht zählt Zöpfl die
Thronfolge der dänischen lex regia von 1665 als suce. cogn. promiscua auf; auch
diese ordnet nur eine subsidiäre Thronfolge der Kognaten an, wenn der ganze
Mannsstanın des ersten Erwerbers König Friedrich’s III. erlöschen sollte.