Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

I. Von dem Staatsoberhaupte oder dem Monarchen. 249 
»Fiskus« begriffen wird. Alles dies mit der Staatsgewalt verbundene 
Staatsvermögen ändert mit dem '[hronwechsel den Eigenthümer gar 
nicht, unterliegt aber von nun an der verfassungsmässigen Ver- 
fügung des neuen Staatsoberhauptes, ebenso wie es der seines Vor- 
gängers bis zu dessen Tode unterworfen war. Diese Dinge dürfen 
nach dem Ausdrucke der bayerischen Verfassung Tit. TIL, welche 
hier geradezu als der typische Ausdruck des allgemeinen deutschen 
Rechtsbewusstseins zu betrachten ist, »im Falle der Sonderung des 
Staatsvermögens von der Privatverlassenschaft nicht ın das Inven- 
tarıum der letztern gebracht werden«. 
\as der Monarch dagegen vor seiner '[hronbesteigung bereits 
besessen, ebenso, was er später aus Privatmittelu, z. B. den Erspar- 
nissen der Civilliste erworben und nicht aus freiem Willen und auf 
erkennbare Weise dem Staatsvermögen einverleibt hat, ist sein reines 
Privatvermögen, in welches die gewöhnliche privatrechtliche 
Erbfolge, sowie eine letztwillige Verfügung stattfindet, soweit nicht 
hier hausgesetzliche oder Verfassungsbestimmungen beschränkend 
im Wege stehen!. Der Staatssuccessor kann möglicher Weise zu- 
gleich Civilerbe des verstorbenen Monarchen sem. Diese privat- 
rechtlichen Verhältnisse sind aber von der Thronfolge völlig unab- 
hängig. Beide Eigenschaften, die des Thronfolgers und des Privat- 
erben, bleiben vielmehr, ungeachtet ihrer zufälligen Verbindung in 
Einer physischen Person, ebenso unabhängig von einander, als sie 
es sein würden, wenn sie nicht in Einem Individuum vereinigt wä- 
ren. Sollte heutzutage ein Streit entstehen, ob ein Gegenstand zum 
Staatsvermögen oder zur Privatverlassenschaft des letzten Monarchen 
gehört, so würde dieser Streit civilprocessualisch zwischen dem Fis- 
kus und den Erben des verstorbenen Monarchen entschieden werden 
müssen. 
! Eine derartige Bestimmung findet sich z. B. in der bayerischen Verfassung 
III, $1 »wornach alle neuern Erwerbungen aus Privattiteln an unbeweglichen 
Gütern, sie mögen in der Haupt- oder in der Nebenlinie geschehen, wenn der 
erste Erwerber während seines Lebens nicht darüber verfügt hat, in den Erbgang 
des Mannsstammes kommen und als der Gesammtmasse einverleibt angesehen 
werden«. Nach der Königlich Sächsischen Verfassungsurkunde $ 21 fällt sogar der 
ganze Privatnachlass des Königs, falls er darüber nicht verfügt hat, an das mit 
der Staatssuccession sich vererbende Hausfideikommiss; es giebt also gar keine 
Beerbung des Königs ab intestato. Andere Verfassungen lassen dagegen die land- 
rechtliche Intestaterbfolge in das Privatvermögen zu, so die Württembergische 
$ 102, die Grossherzoglich-Hessische $ 8, die Sachsen-Meiningsche $ 37, die 
Altenburgische $ 22 und 23.
	        
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