350 l. Das Landesstaatsrvecht.
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2, Verhältniss des Nachfolgers zu den Regentenbandiungen des Vorgängers!.
Während es sıch bei der Trennung der Staatssuccession von der
Privatverlassenschaft um die Grenzregulirung zwischen den
Gebieten des Staats- und Privatrechtes handelt, ist die Frage, vb
und inwieweit ein Nachfolger die Regierungshandlungen seines
Vorgängers anzuerkeunen und zu vertreten habe, rein staats-
rechtlicher Natur. Aber diese rein staatsrechtliche Frage wurde
lange Zeit durch die Einmischung privatrechtlicher Anschauungen
getrübt und verwirrt. Obgleich auswärtige Juristen?, wie Baldus
und Hugo Grotius, vom Standpunkte des allgemeinen Staats-
rechtes schon früh richtige Grundsätze ausgesprochen hatten, so
konnten sich die deutschen Juristen noch lange nicht aus ihrer civi-
listischen Beschränktheit zu einem höhern öffentlich-rechtlichen
Standpunkte erheben. Lange Zeit legten sie besondern Werth auf
den verhältnissmässig unbedeutenden Umstand, ob der Thronfolger
auch zugleich Erbe seines Vorgängers geworden sei; denn in die-
sem Falle sah man ihn als Universalsuccessor an, welcher
ohne Unterschied alle Handlungen seines Vorgängers zu vertreten
habe. War er aber dies nicht geworden, so betrachte man ihn als
Singularsuccessor, welcher, ex pacto et providentia majorum
succedirend, durchaus nicht zur Anerkennung der Handlungen sei-
i Moser, Staatsr. XXIL. S. 408 ff. Desselben Persönliches Staatsrecht
Th. I. S. 211—23$. Pütter, primae lineae $64. Joh. Pet. de Ludewig,
opusc. mise. T. I. S. 539—616. de Cramer; opusc. T. II. nr. 3. 8. 42. T. IV.
nr. 14. 8.386. Pfeffinger, vitr. illustr. T.IIL.p.1243. Die ganze ältere staats-
rechtliche Literatur ist indessen überflüssig gemacht durch C. Chr. A.H. v.
Kamptz, Erörterung der Verbindlichkeit des weltlichen Reichsfürsten aus den
Handlungen seines Vorfahren. Neustrelitz 1800, wo sich eine eingehende dog-
mengeschichtliche Entwickelung dieser ganzen Lehre findet. Leist $4$. Gön-
ner$244. Klüber $252. Zöpfl1.8266. ZachariäB. I. $ 76—78. -. Ger-
ber$31.8.94. v.76z18$8 150. v. Rönne B. 1. 841.8. 1441 fl.
2 Baldus in seinen Consil. Lib. I. cons. 27. sagt: »Imperator in persona
mori potest, sed ipsa dignitas, offieium imperatoris immortale est; quae faciunt
itaque reges, nomine non suo, sed regni 1. e. gentis suae, illa obligant gen-
tem et prineipem ejus successorem,, nisi laederent ipsa facta regnum, quia regni
tutela est commissa, non dilapidatio«. von Kamptz 8.67. H. Grotius, de
jure belli ac paeis, Lib. II. cap. XIV, »de eorum, qui summum imperium ha-
bent, promissis et contractibus et juramentis«, wo ganz richtig die actus regii et
privat unterschieden werden. Auch bei einzelnen spätern Schriftstellern bricht
einmal die richtige Auffassung sporadisch durch, so sagt z. B. Treutler, con-
sil. et resp. Vol. I. Cons. 59 n. 10: »In principe duae concurrunt personae, una
est immortalis, quae semper durat, numquam moritur. Unde successor pro una
eademque persona cum praedecessoribus habetur«.