Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

t. Von dem Staatsoberhaupte oder dem Monarchen. 253 
solche Regierungsakte seines Vorgängers, welche an und für sich, 
nach den bei ihrer Vornahme geltenden Rechtsgrundsätzen, ungil- 
tig waren; er ist dazu ganz in derselben Weise befugt, wie der Vor- 
gänger selbst, welcher durch einen an sich nichtigen Akt ebenso- 
wenig gebunden gewesen wäre. Eine einseitige Aufhebung aus 
andern Gründen, z. B. aus Rücksichten auf das vermeintliche Staats- 
wohl, oder unter Berufung auf gewisse theoretische Grundsätze, 
z. B. das sogenannte monarchische Prinzip, ist durchaus rechts- 
widrig, ein Angriff auf die Kontinuität des Staates selbst. Der 
schwerste Rechtsbruch dieser Art in unserm Jahrhundert war die 
einseitige Aufhebung des hannöverschen Staatsgrundgesetzes vom 
26. September 1833 durch das P’atent König Emst August’s vom 
1. November 1837. 
4) Dagegen kann der Nachfolger jede Regierungshandlung 
seines Vorgängers auf verfassungsmässigem Wege abändern, 
wie dies der Vorgänger selbst gekonnt hätte, denn es giebt im 
Staatsleben nichts, was auf alle Zeiten unabänderlich wäre, keine 
lex in perpetuum valitura. Dabei versteht sich von selbst, dass eine 
derartige verfassungsmässige Abänderung keine rückwirkende Kraft 
hat und mit Achtung aller unterdessen wohlerworbenen Rechte vor 
sich gehen muss. 
Die hier entwickelten Prinzipien sind für unser heutiges 
Rechtsbewusstsein so selbstverständlich, dass nur einzelne Verfas- 
sungen kleinerer Staaten es für nöthig befunden haben, sie aus- 
drücklich zu bestätigen (Sachsen-Altenburg $ 14. Reuss j. L. & 44. 
Schwarzburg-Sondershausen 1857 8.44). 
Dritter Abschnitt. 
Stellvertretung des Monarchen. 
8 109. 
Im Allgemeinen, 
Der Monarch kann aus verschiedenen Gründen, auf kürzere 
oder längere Zeit, an der Ausübung seines Regentenberufes gehin- 
dert sein. Da durch eine solche Verhinderung einerseits das Recht 
auf die Innehabung der monarchischen Gewalt nicht aufgehoben 
wird, andrerseits der Staat keinen Augenblick des Herrschers ent-
	        
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