1. Von dem Staatsoberhaupte oder dem Monarchen. 261
wenn die Verfassungen den dem verhinderten Monarchen
inder Thronfolgeordnung am nächsten stehenden re-
gierungsfähigen Agnaten berufen!. Eine Abweichung von
dieser Regel gestattet die bayerische Verfassung Tit. II. $ 10 (früher
auch die hannöversche $ 18), indem sie dem Könige die Befugniss
einräumt, unter den volljährigen regierungsfähigen Agnaten den
Regenten auszuwählen. Am folgerichtigsten im Geiste des deut-
schen Rechtes und der erbmonarchischen Staatsordnung sind die
Bestimmungen der preussischen (A. 56) Verfassung, welche die
Ordnung der Berufung zur Regentschaft nach den Grundsätzen der
Thronfolge regelt und von jeder Disposition des regierenden Königs
unabhängig macht. Mehrere Verfassungen, wie die preussische und
die königlich sächsische schliessen die Frauen ganz aus, die mei-
sten gestehen indessen auch der Mutter und der väterlichen Gross-
mutter einen Anspruch auf die Regentschaft zu, jedoch mit dem
Unterschiede, dass einige sie sogar der agnatischen vorziehen (Al-
tenburg $ 16, Koburg-Gotha $ 13. Reuss j.L. 1856 $ 9), andere sie
erst in Ermangelung regierungsfähiger Agnaten eintreten lassen.
Das letztere gilt in allen ehemaligen Kurhäusern, in welchen über-
haupt eine weibliche Regenschaft zugelassen ist, ausserdem in
Braunschweig und in Oldenburg. Hie und da wird auch die Ge-
mahlın? des verhinderten Monarchen zur Regentschaft berufen.
in Bayern in Ermangelung von Agnaten sogar »die verwittwete
{ Nach älterem, wie nach heutigem Staatsrecht steht fest, dass derjenige der
nächste Agnat ist, welcher nach der in der regierenden Familie geltenden Suc-
cessionsordnung, also jetzt nach den Grundsätzen der Primogenitur, nach dem
Tode des verhinderten Fürsten zunächst zur Thronfolge gelangen würde. Eine
Ausnahme macht das Grundgesetz für Sachsen-Altenburg, indem nach $ 16 die
Regentschaft geführt wird: »von dem den Jahren nach ältesten volljährigen Prin-
zen unter den Agnaten im herzoglichen Hause, und wenn ein solcher nicht vor-
handen ist, vom ältesten regierenden Herrn im Gesammthause gothaischer Linie
(also wird die Regentschaft hier nach den Grundsätzen des Seniorates bestimmt,
während für die Thronfolge die Primogenitur gilt;. Eine ähnliche Irregularität
kommt auch in Sachsen-Weimar vor, wo nach dem Vertrage vom 1. Mai 1688
»die Vormundschaft geführt werden soll von dem ältesten in pari gradu stehen-
Agnaten allein« ‘also nach den Grundsätzen des Majorats,. Nach diesem Prinzip
entschied der Reichshofrath über die zu führende Vormundschaft zwischen Gotha,
Meiningen und Koburg. Schweitzer, Oeffentl. Recht S. 43.
? Dies gilt natürlich nur von solchen Fällen, wo nicht Minderjährigkeit,
sondern ein anderer Grund der Verhinderung vorliegt, besonders nach über-
nommener Regierung. Ein Kuriosum ist es, dass die hannöversche Verfassung
von 1540 $ 19 auch zur Regentschaft über einen minderjährigen, also noch nicht
> jährigen König die Gemahlin desselben beruft, sofern diese das 25. Jahr vollen-
et hat!