l. Begrift des Staates. 17
Volkes ist der '[rieb eingepflanzt, seiner Volksthümlichkeit eine
äussere Gestalt, eine einheitliche Form zu geben. So.entsteht der
Staat. An sich eine Vernunftnothwendigkeit, weil der'Mensch nur
im Staate menschlich leben kann, ist die Entstehung des Staates in
concreto ein geschichtlicher Vorgang, für den sich keine allgemeine
I'heorie aufstellen lässt. Der Staat ist das konstituirte Volk, »po-
pulus civiliter constitutus«. Durch seine Errichtung entsteht eine
höhere herrschende Persönlichkeit über den einzelnen Individuen.
Verschieden von den abgeleiteten juristischen Personen des Privat-
rechtes, erscheint der Staat als die ursprüngliche, politisch
handelnde und herrschende Persönlichkeit. Wesen
der Person ist, einen eigenen Willen zu haben und diesen Willen
äussern zu können. So erhebt sich über dem einzelnen Wollen der
Individuen der Staatswille, nicht als blosse Addition der Ein-
zelwillen, sondern als der Wille einer eigenen machtvollen, leben-
digen Persönlichkeit. Durch den Staat ist das Volk zu einem
rechtlich konstituirten Gemeinwesen geworden.
sl.
4) Die Obrigkeit. (Einl. S. 119.)
Nur die Menschen, als physische Personen, haben von Natur
einen Willen. Das Zustandekommen des Willens ist bei ihnen ein
innerer Vorgang, der sich jeder juristischen Betrachtung entzieht.
Moralische Personen, wie der Staat, bedürfen dagegen einer beson-
dern Einrichtung, wodurch der Gesammtwille zur Darstellung
kommt. Dieser Gesammtwille, der keineswegs immer auf der
Uebereinstimmung des Willens aller Theilhaber beruht, verkörpert
sich in der Obrigkeit. Dem staatlichen Gesammtwillen muss aber
auch die Gesammtkraft zu Gebote stehen, d.h. die Staatsgewalt
muss eine unwiderstehlich zwingende sein, welche den Widerstand
der Unterthanen zu brechen vermag. Jede Obrigkeit ist in Frage
gestellt, wenn eine andere menschliche Kraft im Staate ihr mit Er-
folg den Gehorsam zu verweigern im Stande ist. In allen Staaten
ist der Gegensatz zwischen Obrigkeit und Unterthanen, zwischen
Regierung und Regierten vorhanden, selbst in rein demokratischen.
Ohne Obrigkeit giebt es nur Anarchie, welche die Negation alles
Staatslebens ist.
8 12.
5) Verfassung. (Einl. S. 120.\
Jedes Gemeinwesen, welches auf den Namen eines Staates An-
spruch machen will, muss eine Verfassung haben, d.h. einen
H. Schulze, Deutsches Staatsrecht. 2