Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

2. Von den Staatsämtern. 331 
eigenthümliches Zwangs- und Strafrecht, welches dem Staate 
zusteht, um die Ordnung des Dienstverhältnisses aufrecht zu er- 
halten, die Beamten zur Erfülling ihrer Pflichten anzuhalten, und 
um unbrauchbare, pflichtvergessene Beamten ganz aus dem Dienste 
zu entfernen. Als Zwangsmittel kommen vor Arrest und Geld- 
bussen, welche über einen Beamten verhängt werden, um ihn zur 
Vornahme einer gewissen Amtshandlung zu nöthigen. Verschieden 
davon sind die eigentlichen Strafen, welche eine bereits ge- 
schehene Pflichtverletzung voraussetzen. Nur die schwersten Pflicht- 
verletzungen der Beamten, deren Thatbestand sich gesetzlich fixiren 
lässt, fallen der Strafgewalt des Kriminalrichters anheim, alle an- 
dern, wo dies nicht möglich ist, werden dısciplinarisch bestraft. 
Auch die Disciplinargewalt involvirt ein wirkliches Strafrecht, aber 
(dasselbe beruht auf einer anderen rechtlichen Grundlage, als das 
System der peinlichen Strafen. Der Staat straft nicht, als der Träger 
und Vertheidiger der Rechtsidee, lediglich um der Gerechtigkeit 
willen, sondern nur aus äusseren Zweckmässigkeitsgründen, weil er 
nur so die Ordnung und Reinheit des Dienstverhältnisses aufrecht 
erhalten kann. Während das Kriminalrecht nur Vergehen mit genau 
fixirtem Thatbestand bestrafen kann, trifft die Disciplinargewalt jede 
schuldbare Pflichtverletzung des Beamten. Das Disci- 
plinarrecht kann keine erschöpfende Aufzählung der strafbaren Ver- 
gehen geben, wie ein Kriminalkodex; wo man früher dergleichen 
versucht hat, ist man davon zurückgekommen und giebt jetzt dem 
allgemeinsten Ausdruck den Vorzug: »Ein Beamter, welcher die 
ihm obliegenden Pflichten verletzt, begeht ein Dienstvergehen und 
hat die Disciplinarbestrafung verwirkt.« Während bei der peinlichen 
Bestrafung nur die einzelne verpönte Handlung beurtheilt wird, 
kommt bei der Disciplinarbestrafung das Verhalten des Be- 
amteninseiner Totalitätin Betracht. Während auf dem Ge- 
biete der peinlichen Rechtspflege der Staat nicht nur das Recht, 
sondern auch die Pflicht zu strafen hat, macht er von den Strafen 
der Disciplinargewalt nur Gebrauch, wenn ıhm dies ım Interesse 
des Dienstes geboten oder nützlich erscheint. Die Disciplinarstrafen 
bewegen sich innerhalb des Dienstverhältnisses und sind 
deshalb von dem System der peinlichen Strafen durchaus verschie- 
den (»Strafen, die ausserhalb des Gebietes der Kriminalität liegend). 
Das Disciplinarverfahren kennt grundsätzlich keine härtere Strafe 
als die Dienstentlassung. Gegen den, welcher aus dem Dienstver- 
bande geschieden ist, giebt es auch kein Strafrecht des Dienstherrn
	        
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