Full text: Lehrbuch des Deutschen Staatsrechtes Erstes Buch Das Deutsche Landesstaatsrecht (1)

3. Von den Staatsangehörigen. 399 
zwischen Herrscher und Unterthanen ungeschwächt fortbesteht, 
dass der festgestellte Buchstabe des Rechtes dem sittlichen Bande 
gegenseitiger Hingebung und Treue keinen Eintrag thun soll. Als 
Rechtspflicht hat die Treue ihre negative und ihre positive 
Seite. Erstere schliesst die Rechtspflicht in sich, alle Handlungen 
zu unterlassen, welche auf die Beschädigung des Staates abzielen. 
Die Verletzung der dem Staate schuldigen Treue wird als »Ver- 
rath« gekennzeichnet und offenbart sich in den Verbrechen des 
Hoch-und des Landesverrathes, deren subjektives Moment 
ursprünglich in der Verletzung des Treuvcrhältnisses des Staatsan- 
gehörigen gegen den Staat und das Vaterland besteht, wenn auch aus 
politischen Gründen das Strafgesetzbuch die Handlungen, welche den 
objektiven 'Thatbestand des Hochverrathes und gewisser Fälle des 
Landesverrathes bilden, auch an Ausländern bestraft!. Namentlich 
tritt aber die specifische Treuverpflichtung des Staatsangehörigen 
in gewissen Fällen des Landesverrathes hervor, deren sich nur In- 
länder schuldig machen können. In einer Reihe von Paragraphen 
bezieht sich die Strafandrohung nur auf Deutsche. Gegen Aus- 
länder ist wegen der in diesen Paragraphen bezeichneten Hand- 
lungen »nach dem Kriegsgebrauche zu verfahren«. Besonders aber 
bezeichnet $ 85 einen Fall des Landesverrathes, welcher nothwendig 
Reichsangehörigkeit des Thäters voraussetzt: »Ein Deutscher, wel- 
cher während eines gegen das deutsche Reich ausgebrochenen 
Krieges in der feindlichen Kriegsmacht Dienste nimmt oder die 
Waffen gegen das deutsche Reich oder dessen Bundesgenossen trägt, 
wird wegen Landesverrathes mit lebenslänglichem Zuchthause oder 
lebenslänglicher Festungshaft bestraft.« 
In dem Bundesstaate besteht die Verpflichtung zur Treue so- 
wohl gegen den Gesammtstaat, wie gegen den Einzelstaat, welchem 
jemand angehört. Durch feindselige Handlungen kann sowohl gegen 
jenen wie gegen diesen Hochverrath und Landesverrath begangen 
werden. Da indessen das Kriegsrecht und die Kriegsherrlichkeit 
jetzt ausschliesslich nur der Reichsgewalt zusteht, so kann auch der 
sog. militärische Landesverrath nur noch gegen das Reich 
begangen werden. 
1 Laband, Staatsr. S. 140. Schütze, Lehrb. des deutschen Strafrechtes. 
Leipzig 1871. 8. 230. F.O. Schwarze, Komment. zum Strafgesetzb. Leip- 
zig 1872. S. 65. 286. Wenigstens in Bezug auf die Strafzumessung wird es 
immerhin noch ein wichtiges Moment sein, ob der Thäter als Staatsangehöriger 
zugleich die Treue verletzt hat.
	        
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