2. Die Staatsgewalt. 25
Von der juristischen Seite wird der Organismus des Staates,
welcher allerdings in erster Linie ein ethisch-politischer Begriff ist, auf-
gefasst, wenn jedem Gliede, dem höchsten, wie dem niedersten, eine be-
stimmte Rechtssphäre zugewiesen und gegen das Ganze, wie gegen die
andern Glieder, abgegrenzt, zugleich aber dargethan wird, wie dasselbe
die Einheit des Ganzen mitbildet und in ihr beschlossen ist. Somit stellt
sich das Staatsrecht dar als die rechtlich fixirte Ordnung der einzelnen
Glieder des Staates in ihrer abgegrenzten eigenthümlichen Berufsstellung
und doch wieder in ihrer Einheit und ihrem geordneten Zusammenwir-
ken. Kurz das Staatsrecht ist die Lehre von der rechtlichen
Organisation des Volkes zu einem politischen Ge-
meinwesen.
Zweites Kapitel.
Die Staatsgewalt.
(Einl. 8. 160—181.)
$ 15.
Von der juristischen Natur der Staatsgewalt.
Der Staat, als das rechtlich organisirte Volk, bedarf vor allem
eines Gesammtwillens, welcher befugt ist, über die Gesammt-
kraft zur Erreichung der Staatszwecke zu verfügen. Nur der ein-
zelne Mensch, als solcher, hat schon von Natur einen Willen. Jede
andere Persönlichkeit bedarf einer besondern Organisation,
um ihren Willen auszudrücken und darzustellen, «der Staat so'gut,
wie jedes andere Gemeinwesen. Ein solcher herrschender Staats-
wille kann nur hergestellt werden, wenn derselbe in einem Subjekte
personificirt wird; denn die Staatsgewalt ist eine Gewalt, welche
im Namen des Staates von Menschen gehandhabt wird. Die Staats-
gewalt bedarf zu ihrer Wirksamkeit im Leben eines bestimmten
Trägers oder Inhabers. Die so in einem Subjekte persönlich gewor-
dene Staatsgewalt heisst die Obrigkeit. Die Staatsgewalt hat
einen durchaus öffentlich-rechtlichen Charakter, d. h. der Herrscher
ist nicht um seiner selbst willen zu Privatzwecken mit dieser Gewalt
bekleidet. Im Staate ıst der Herrscher nie weiter berechtigt, als
er verpflichtet ist. Der herrschenden Gewalt der Obrigkeit steht die
Gehorsamspflicht der Unterthanen gegenüber. Aber das Verhältniss
des Volkes zum Herrscher ist kein persönliches Subjektionsverhält-